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ZeitLebensZeiten
Version 02.00.5
© ZeitLebensZeiten
2007 ff.
 

Coesfeld Schulbau 1914-1916

Regierungsbaumeister und Denkmalpfleger Paul Thomas musste  mehr Geld verdienen, wenn er seine Freundin heiraten und ihrer beider Ansprüche erfüllen wollte. Er kehrte deshalb aus der Denkmalpflege für die Rheinprovinz, wo er quasi „freier Mitarbeiter“ war, zurück in den Staatsdienst.

Am 1. April 1914 wurde er Leiter des Neubaus für das örtliche Gymnasium in Coesfeld. Genauer gesagt, handelte es sich um einen Anbau, da das alte Gymnasium der Schülermassen nicht mehr Herr werden konnte. Paul Thomas zeichnete das Gebäude im Sommer 1915:

1  Gym  Coesfeld  1915 ZLZ%

Aus der Rückschau, also mit dem Wissen, dass Paul Thomas nur bis zum März 1916 an diesem Bau mitarbeiten konnte, bekommen die im Laufe der Recherchen zutage geförderten Fakten, Briefausschnitte, Fotografien, Baupläne und Bilder und Zeichnungen eine ganz eigene Bedeutung. Sei es der Elan, mit dem Paul Thomas an die Arbeit ging, sei es seine Fröhlichkeit und Empfänglichkeit für die Farben und Düfte des Frühlings in Coesfeld, wie sie sich aus Briefen und Bildern ergeben. Und:  Es waren gerade mal vier Monate, April bis Juli 1914, die für den Neubau ohne Kriegseinfluss geblieben sind.

Der im Jahr 1917 ohne Paul Thomas vollendete Erweiterungsbau wurde - auch das sei vor dem Einstieg in die Baugeschichte vorweg geschickt - im 2. Weltkrieg stark zerstört und nach dem reduzierten Wiederaufbau dann im Jahre 1978 abgerissen. An seiner Stelle steht heute ein Einkaufszentrum. Anders als bei der Schule in Berlin-Treptow gibt es in Coesfeld nur Bilder von diesem Schulbau. An Ort und Stelle zu besichtigen gibt es nichts mehr. Dennoch kann man sich über den Bau ganz hervorragend kundig machen.

Im Stadtarchiv Coesfeld gibt es eine Fülle  von Dokumenten. Mehr als 10 große Kartons bergen das gesamte Schriftgut zum Schulbau.

3 Stadtarchiv ZLZ%


Für die Erforschung damaliger  Bedingungen für Schulbau, insbesondere unter den erschwerten Bedingungen des Ersten Weltkrieges, ja für die Architektur-und Baugeschichts-Forschung sind die Akten, die der Coesfelder Stadtarchivar Damberg sehr freundlich und hilfreich zur Verfügung stellte, eine sehr ergiebige Fundgrube. Zugleich ist hier ein Musterbeispiel preußischer Aktenführung zu besichtigen.

Dass es eine solche Vielfalt von Dokumenten zu einem Bauprojekt gibt, ist nichts besonderes. Dass es einen Regierungsbaumeister gibt, der dies alles als Bauleiter koordinieren muss, ist ebenfalls nichts Besonderes. Das Besondere ist, dass es in diesem Falle sowohl zum Bau als auch zur Person des Baumeisters und zusätzlich durch seine Briefe, die auch den Baufortschritt erwähnen,  eine solche Fülle historischen Materials gibt, dass bei noch eingehenderen Studien sicher viel über die Stadt Coesfeld und die damaligen Zeiten und (Bau-) Firmen in Erfahrung zu bringen wäre.

Paul Thomas musste natürlich alles dokumentieren und ggf. auch bei Fragen gezielt seinen Vorgesetzten in Recklinghausen, Münster und Berlin Auskunft geben können. Mit anderen Worten: Er musste pedantisch genau sein. Und das war er offensichtlich. Nachfolgend wird allerdings nicht der Bau mit allen Schauplätzen nachvollzogen, sondern aus der Fülle des Materials wurden besonders anschauliche Belege für die Tätigkeit von Paul Thomas ausgesucht und abgebildet. Es sind Einzelbeispiele, die zeigen, mit welchen Details sich ein Bauleiter damals und insbesondere eben Paul Thomas beschäftigen musste. 

Besonders hervorzuheben sind das Bautagebuch, das beginnend mit dem eigentlichen Bau am 1. Juni 1914 geführt wurde, und die Tagelohnliste, die Auskunft über die Beschäftigten auf dem Bau gibt. Manches ist sehr detailliert, aber es lädt auch ein, sich einzulesen und an den historischen Details zu erfreuen.

5 Bautagebuch 1 ZLZ%


Die Anschaffung des Stempels meldete Paul Thomas stolz an seine Freundin und er belegte die Anschaffung ordnungsgemäß im Inventarienverzeichnis, dasPaul Thomas führen mußte. Daraus entnehmen wir, dass der Stempel 1.45 RM kostete... Die Bürokratie war nicht gerade gering. Nur einige wenige Beispiele:

15 Gesch14  ZLZ% 16 IMG_1810 ZLZ%
17 Stuck ZLZ% 18 Ofen ZLZ%

Hinzu kam eine gewaltige Fülle von Korrespondenz, die hier ebenfalls nur mit wenigen Beispielen illustriert werden kann:

7 Braun ZLZ% 8 Baum  ZLZ%
11 Mosecker ZLZ%
10 Haake ZLZ%
9  Brück ZLZ% 11 Zimmerstädt  ZLZ%

Die Korrespondenz von Paul Thomas mit seiner Freundin, die nachfolgend erstmals öffentlich in einigen Beispielen wiedergegeben wird, bestätigt die Eintragungen im Bautagebuch und umgekehrt. Neben den privaten Berichten über Berufliches finden sich auch Passagen zum Leben in Coesfeld und zum Kriegsausbruch:

Coesfeld, Mittwoch, 8.  April 1914
Das Städtchen ist wirklich ganz reizend, es tut mir wirklich leid, dass ich keine Zeit zum Aquarellieren habe. Ich habe schon ein Dutzend schöne Motive gefunden, die aber bestimmt einmal daran glauben müssen. Dabei scheint diese Gegend besonders freilich an wunderbaren Beleuchtungen und besonders schönen Sonnenuntergängen zusammen, ich habe jetzt jeden Abend meine Freude daran, da mein Fenster nach Westen liegt.

Paul Thomas’ Schwärmerei von den schönen Frühlingsfarben spiegelt sich in hinterlassenen Bildern wieder, die ohne Ortsangaben waren, aber mit Hilfe des Stadtarchiv-Leiters von Coesfeld  eindeutig zugeordnet werden konnten. Bilder vom Pulverturm, der Bestandteil der Befestigung Coesfeld war und heute noch mit einigen Bestandteilen existiert, und Schloss Loburg bei Coesfeld, einer wasserschlossähnlichen privaten Besitzung, deren Hauptgebäude im 2. Weltkrieg zerstört wurde, sind mit großer Sicherheit in den Jahren 1914 oder 1915 entstanden, wahrscheinlich eher 1915. Die Bilder sind zugleich künstlerische Dokumente der Baugeschichte von Coesfeld. Auch ein Frühlingsbaum mit einem nicht näher identifizierbaren Gebäude dürfte in dieser Zeit von Paul Thomas gemalt worden sein.


Pulverturm in Coesfeld

13 Pulverturm Coesfeld Paul Thomas 1914-1916 ZLZ%

COESFELD (4)%%


Schloss/Haus Loburg

12  Schloß Loburg Paul  Thomas 1914-1916 ZLZ%

Das Schloss/Haus Loburg wurde im Kriege zerstört und besteht nur noch aus dem Seitenflügel:

Coesfeld Loburg%%

 

14 Coesfeld Frühlingsbaum  ZLZ%

Coesfeld, Donnerstag, 7. Mai 1914
Am Montag früh [war] ganz Coesfeld in Aufregung. In einem Hause, das eine halbe Stunde von der Stadt entfernt ganz einsam liegt, war eingebrochen worden. Zwei Kerle hatten versucht, in das Schlafzimmer der Wirtsleute, wo sie das Geld vermuteten, einzudringen. Diese hielten von innen die Tür zu, die Verbrecher schlugen von außen mit Äxten gegen die Tür und haben durch die Spalte mit Revolvern geschossen. In diesem Moment kommt der Vater des Wirtes, von dessen Existenz die Strolche nichts wussten, und schießt mit einem Jagdgewehr dem einen Strolch in den Rücken, dass die Kugel vorn wieder herauskommt. Davon unangenehm berührt, läuft dieser Verbrecher weg, den anderen haben sie dann nach allen Regeln der Kunst mit Schürhaken, Säbel und Schippe so verprügelt, dass er nicht mehr japsen konnte. Den anderen haben sie dann auf der Landstraße auch noch dingfest gemacht. Ein Oberlehrer hat den Fall gleich an sechs Zeitungen berichtet, und hoffte, von dem Honorar einen eigenen Hausstand begründen zu können, aber er hatte sich mit der Stilisierung zu lange aufgehalten, so dass er zu spät kam! Seit diesem Vorfall kommen die Damen, bei denen ich wohne, und sagen, ich möchte mich ja auch abschließen des Nachts. 

Coesfeld, Freitag  31. Juli 1914
Ich will auch sehen, dass ich morgen...komme, aber die Lage scheint mir wohl inzwischen derart kritisch geworden zu sein, dass es nicht mehr sicher ist, ob ich noch durch komme. Jedenfalls sollen nach dem letzten Telegramm Russland vollkommen mobil gemacht und der Kaiser den „Zustand drohende Kriegsgefahr“ über das Deutsche Reich verhängt haben.
Wenn ich also auch vielleicht noch nach dort komme, würde ich, wenn inzwischen die Mobilmachung erfolgt, nicht mehr zurück können, und ich muss doch hier auf meinem Posten bleiben, bis die Regierung irgendwie verfügt. Ich vermute, dass der Bau wohl einstweilen stillgelegt werden wird, da der Staat in den schweren Ringen, dass jetzt vielleicht kommt, alle Mann und alle Gelder braucht.

Sonnabend, 1. August 1914
Paul Thomas beschwert sich beim Lieferanten der Ziegel, der Firma Entrup und Sohn in Coesfeld, über die Anlieferung nicht ordnungsgemäßer Steine („sind die meisten Steine hellgelb und einige nur halbgar“, weil nicht genügend gebrannt) und teilt mit, dass die weiteren Steine gar nicht erst abgeladen werden würden.

Der 1. August 1914 war kein normaler Tag im Deutschen Reich. Den Schreiben von Paul Thomas kann man die Unruhe, die Spannung und die Angst vor dem Ungewissen ohne jede künstliche Selbstberuhigung durchaus entnehmen. Auch in das Bautagebuch hat der erste Mobilmachungstag am 2. August 1914 Eingang gefunden. Die lapidare Bemerkung:

„Die Arbeiten können nur langsam mit wenigen Arbeitern fortgeführt werden, da viele Arbeiter einberufen sind“

werden ergänzt durch die Briefe Pauls an seine Verlobte Martha. Nicht einmal zwei Monate konnten sie ohne Kriegsangst verlobt sein.

Coesfeld, Mittwoch, 5. August 1914
Ich muss hier noch sitzen und den Bau beaufsichtigen, ich habe gemerkt, dass ich hier doch, solange der Bau noch fort geht, unentbehrlich bin, da sonst der Unternehmer anfängt zu mogeln. Er ist auf vielen Umwegen doch endlich wieder nach Coesfeld gelangt. Ich habe soeben [an den Baurat] berichtet, dass der Ziegeleibesitzer keine Ziegel mehr liefern kann, und angefragt, ob der Bau weitergeführt werden soll.

Coesfeld, Donnerstag, 6. August 1914
Dein Trösten wegen des Niederlegens in der Bauarbeiten ist .. vorläufig noch nicht nötig, denn erstens wird wahrscheinlich allen Anzeichen nach der Bau zunächst weitergeführt, und dann würde ich es gar nicht so schmerzlich empfinden, wenn der kümmerliche Betrieb, wie er jetzt ist, mit so ein paar alten Männekens, ganz eingestellt würde. Jedenfalls würde ich gar nicht daran denken, es mit anderen, schwereren Opfern zusammen zu nennen...
Ich werde also wohl hier weiter sitzen müssen, solange der Bau geht, denn wenn ich jetzt sofort gehe und die Regierung setzt einen anderen an meine Stelle, bin ich den Bau los. Heute Nachmittag war der Bürgermeister auf dem Bauplatz und drückte mir seine Freude darüber aus, dass weitergearbeitet würde. Er hätte sowieso schon so viele Arbeitslose, da die Fabriken alle stillgelegt sind. Das hat mich wieder etwas getröstet, dass sich doch auch etwas leiste zum allgemeinen Besten..
Wir haben gestern den hiesigen Bezirksregiments Leutnant von Böningk weggefeiert. Er hat hier schon drei Jahre lang auf dem Bezirkskommando gesessen und die Mobilisierung tadellos vorbereitet, und darf jetzt zur Belohnung zum aktiven Regiment an die Front gehen. Er war sehr stolz, aber etwas blass. Der Bezirkskommandeur hielt eine sehr nette Ansprache, nur zum Schluss kam er ins Stocken, ich dachte, er wäre stecken geblieben, aber wie ich hinsah, sah ich, dass er Tränen in den Augen hatte und vor Rührung ihm das Wort in der Kehle stecken blieb.

Coesfeld, Dienstag, 11. August 1914
Der Bau geht so langsam weiter. Ich muss überall sehen, wo ich Ziegelsteine bekommen kann, ich war am Samstag auf einigen Ziegeleien hier in der Nähe. 

Coesfeld, Mittwoch, 12. August 1914
Gestern Abend ist „unser“ Bataillon abmarschiert, das heißt das Reservebataillon, das etwa seit 8 hier zusammengestellt, uniformiert und etwas einexerziert worden war. Sie traten um 9:00 Uhr abends auf dem Marktplatz an, der Bürgermeister und der Bezirkskommandeur hielten kurze, sehr nette Ansprachen, alle Häuser ohne Ausnahme hatten geflaggt, und auf dem hübschen Marktplatz, der die Dir auch gefiel damals, hatten sich fast alle Coesfelder eingefunden. Zum Schluss brachte den Major ein Hoch auf den Kaiser, die Armee und das Vaterland aus, und dann zogen die Krieger ab, von allen bis zum Bahnhof geleitet. Es war sehr schön und eindrucksvoll. Die Soldaten waren alle guten Mutes, oder ließen sich keine Trauer anmerken.
Heute habe ich dann mein Büro wieder eingeräumt, denn das eine hatten sie mir ja, wie ich Dir wohl schon geschrieben hatte, ausgeräumt, um für die Soldaten Platz zu schaffen. Wir mussten zu drei Mann in dem einen Zimmer sitzen. Jetzt sitze ich, Gott sei Dank, wieder allein in meinem Büro.
Ich habe soeben auf meinen Bericht von Baurat Schulz die Antwort bekommen, dass er stündlich die Nachricht von der Regierung erwarte, ob der Bau in Betrieb bleiben soll oder nicht. Die Ungewissheit ist recht unangenehm. Wenn der Bau stillgelegt wird, werde ich auch wohl kein Gehalt mehr weiter bekommen. Ich werde ja wohl hoffentlich nicht verhungern, aber angenehm ist es auch gerade nicht. 

Münster, Sonntag, 23. August 1914  
Am Freitag Nachmittag kam plötzlich der Regierungs - und Baurat von Münster. Er erzählte, es sei ein Erlass von Minister gekommen, dass alle Bauten, bei denen es aus technischen Rücksichten angehe, stillgelegt werden sollten, falls nicht aus Rücksichten auf die Bevölkerung (Verringerung der Arbeitslosigkeit etc) es wünschenswert sei, weiter zu arbeiten. Er besah sich dann den Bau und war sehr zufrieden und nett, und ich habe ihm dann auseinandergesetzt, dass die erwähnten Umstände hier wohl zu berücksichtigen wären. Wir hätten schon viele Arbeitslose in Coesfeld, deren Zahl dann noch vermehrt werden würde, und der Baumarkt liege ohnehin schon so darnieder, dass die Leute nirgends anderes unterkommen würden. Er sah das auch alles ein und hielt gestern ebenfalls für das Beste, wenn einstweilen fort gearbeitet würde. Am Samstagmorgen erhielt ich dann schon von meinem Chef in Recklinghausen den Wortlaut des Erlasses und musste nun einen genauen Bericht über alles nebst einer Tabelle über die bisherigen und die bis 3. Oktober zu erwartenden Aufgaben machen, an dem ich bis abends spät zu tun hatte.

Coesfeld, Donnerstag, 27. August 1914 
Heute war den ganzen Tag Sprühregen, es ist recht trist. der Bau war heute nicht in Betrieb, da kein Kalk mehr da war, er sollte jeden Tag kommen und kam nicht! Heute Nachmittag ist er gekommen, so dass wir morgen wieder arbeiten können

Coesfeld, Mittwoch, 9. September 1914
Der Bau liegt schon seit Mitte der vorigen Woche still, da die Werksteine für die Verblendung, die vom linken Rheinufer und der Nähe von Andernach kommen, nicht angekommen sind. Auf dem linken Rheinufer ist scheinbar der Güterverkehr noch nicht wieder ganz in Ordnung.
Die Regierung hat mir noch mal einen Erlass des Finanzministers zugeschickt, nachdem wegen der Arbeitslosigkeit die Bauten mehr, als nach dem vorigen Erlass, gefördert und sogar neue Bauten angefangen werden sollen. Das kann uns aber nicht helfen, so lange die Steine nicht kommen.

Coesfeld, Samstag, 12. September 1914
Zuerst wie ich wieder kam, musste ich einen genauen Bericht über den Stand des Baus mit verschiedenen Tabellen über die bisher verbrauchten Gelder und die entstandenen Kosten bei Fortführung bis zu bestimmten Bauabschnitten machen, und am Freitag bekam ich mein Kostenanschlag über die innere Einrichtung wieder, der übrigens im Ganzen für gut befunden zu sein scheint, und muss jetzt in die Grundrisse des Gymnasiums alle Möbel pp. einzeichnen. Das ist eine ganze Menge Arbeit.
Aber auch sonst ist mit den laufenden Bauarbeiten genug zu tun, mit Zeichnen alle Details für die Werksteinarbeiten und so fort, nur brennt diese Arbeit mir noch nicht auf den Nägeln, und da habe ich noch nicht viel Lust dazu. 

Der Bau wird wohl auch bald wieder in Schwung kommen, ich habe Nachricht von der Eisenbahndirektion, dass die Steine befördert werden sollen „so weit die wenigen Beförderungsgelegenheiten es gestatten“. Ich freue mich sehr darauf, dass es wieder losgeht, meinem Techniker geht es ebenso, er meinte, der stille Bauplatz wäre ordentlich beängstigend.

Coesfeld, Donnerstag, 17. September 1914
Ich hatte mich schon so darauf gefreut, über morgen (Samstag) nach dort zu fahren, und nun hat sich heute Morgen Baurat Schulz für Samstag Vormittag (immer gerade Samstag!) angemeldet! Es ist zu dumm, und dazu sieht er gar nichts hier, da der Bau doch still liegt. 
Die Steine sind heute angekommen, zwei Wagenladungen voll. Wir wollen noch etwas warten, bis es lohnt, dass wir nicht gleich wieder fest sitzen, und dann wird fleißig weiter gearbeitet  

Coesfeld, Samstag, 19. September 1914
Heute Nachmittag war mein Baurat da, auch er war sehr in Trauer, er hat einen Schwiegersohn verloren, der ist bei Dinant in Belgien im Straßenkampf gefallen, seine Frau ist mit zwei kleinen Kindern beim Vater. Als er bei mir war, war er ganz ruhig, aber beim hiesigen Seminardirektor, zu dem er nach mir wegen einer dienstlichen Sache gehen mußte, erzählte dieser  mir, er hätte bitterlich geweint, als er es erzählt hätte.

Coesfeld, Mittwoch, 30. September 1914
In Dülmen traf ich den hiesigen Stadtbaumeister Wolters, der zugleich Stadtbaumeister in Dülmen ist und immer hin und her fahren muss. Ich glaube, er ist sehr angestrengt. Er hat aber jetzt auch weniger zu tun. Dabei fällt mir ein, dass die Steine angekommen sind, vorgestern Abend schon, so dass sie jetzt weiter arbeiten können. Es sind auch schon ein paar Mann dabei, die Steine zu versetzen, so dass der Bau so nach und nach wieder in Schuss kommt. Wir können noch ganz schön ein Stück weiterkommen bis zum Winter.
Ich bin jetzt auch dabei, das Büro in die oberen Räume zu verlegen, da die jetzigen nicht unterkellert und daher sehr fußkalt sind. Ich habe dazu einige Änderungen vornehmen, wie eine Wand herausnehmen und ein Fenster brechen lassen, und lasse den einen Raum jetzt tapezieren, der allzu schlimm aussah. Ich ziehe in das Zimmer gerade ein.   

Coesfeld, Dienstag, 6. Oktober 1914
Auf dem Büro erfuhr ich [heute morgen], dass der Geheime Ober aus Berlin und der Regierungsrat aus Münster gestern Nachmittag kommen würden. Baurat Schulz aus Recklinghausen wollte um 12:00 Uhr kommen. Ich machte es auf dem Büro und auf der Baustelle alles fertig und ging dann zum Friseur, um mich verschönern zu lassen. Als sich dort in den bequemen Stuhl saß, merkte ich erst, wie müde ich noch war, und ging daher noch erst nach Hause, um schnell noch eine Stunde zu schlafen, weil ich nachmittags recht frisch sein wollte.
Der Tag verlief dann auch in angenehmste Weise zur Zufriedenheit der Teilnehmer; das heißt weniger zufrieden wird wohl der arme Baurat Schulz sein, der jetzt noch 2 h in Dülmen auf dem miesen Bahnhof sitzen muss und erst um Mitternacht nach Hause kommt. Es sind jetzt zu schlechte Verbindungen....Meine Architektur habe ich im Ganzen durch gedrückt, es müssen nur in die Fenster eines Zeichensaales größer gemacht werden, als ich sie gezeichnet hatte.

Coesfeld, Donnerstag, 15. Oktober 1914
Ich sah heute im Zentralblatt der Bauverwaltung, dass zwei gute Bekannte von mir (Kollegen) gefallen sind, den einen kannte ich sehr gut, auch meine Mutter kannte ihn, und ich kannte auch seine Frau und seine Kinderchen; es ist doch ganz schrecklich, wenn man das so denkt, dass man ihn nun nie wieder sieht, und besonders tut es mir auch um seine Frau leid. Er war ein hübscher, stattlicher Mensch und ihr ganzer Abgott.
Ich hatte in Bonn bei ihm gearbeitet, am geologisch-paläontologischen Institut. Ich glaube, die Kriegsbegeisterung hat im Allgemeinen, auch bei uns, schon sehr nachgelassen, wir kommen in Frankreich nicht mehr recht voran, und wenn schon, kostet es wieder ungeheure Opfer. Alle Verwundeten, die zurückkommen sagen, es sei die reine Schlächterei. Der andere Kollege, den ich in Posen kennen gelernt habe, hatte eine Frau und ein oder zwei kleine Kinder, und beide hatten gar kein Vermögen; die arme Frau ist jetzt übel dran. Ihr Vater war Regierungs - und Baurat gewesen.

Coesfeld, Dienstag, 10. November 1914
Mein Bau geht jetzt weiter, es macht wieder Spaß. Wir kommen schon bald zum ersten Stockwerk. 

Coesfeld, Samstag, 14. November 1914
Übrigens kamen Donnerstagnachmittag ganz unvermutet der Regierungs - und Baurat von Münster auf dem Bau an; er hatte hier in der Jesuitenkirche zu tun gehabt; ebenso gut hätte er auch am Montag kommen können, und wenn ich dann nicht in Coesfeld war, hätte es doch peinlich werden können. Als der Bau still lag, war das nicht so schlimm.- Ich habe in den letzten Tagen viele Scherereien gehabt mit den Backsteinen, die ich nicht abgenommen habe und die jetzt geliefert sein sollen, 16.000 Stück! Die scheinen wie vom Erdboden verschluckt zu sein, und die Sache ist, trotzdem ich bereits alle in Frage kommenden Leute genau verhört habe, nicht aufzuklären.
 

Ende November 1914 konnte Paul Thomas endlich seine Verlobte Martha heiraten. Mit der Hochzeit endet aber auch weitgehend die Korrespondenz fast für das ganze Jahr 1915, da beide nun in Coesfeld in einem kleinen gemieteten Häuschen zusammenziehen konnten. Im August 1916 wurde Paul Thomas endlich unbefristet angestellt, die finanzielle Sicherheit war da.  Es hatte also 16 Monate seit dem Amtsantritt in Coesfeld gedauert, bis Paul seine feste Anstellung bekam und damit mehr Geld, nämlich 287,50 Mark. Immerhin. Vier Wochen vor der Geburt seines Sohnes hatte Paul nunmehr eine gewisse Sicherheit – auch für den Fall, dass er in den Krieg ziehen müsste. 

Die Einberufung kam zum 6. März 1916. Der damals noch nicht so genannte Erste Weltkrieg war ins Stocken geraten. Es gab keine großen Fortschritte für das Deutsche Reich. Im Gegenteil – aus heutiger Sicht ist eindeutig, dass der Krieg nicht gewonnen werden konnte und im Prinzip schon verloren war.Die Kriegsbegeisterung der Deutschen hatte nachgelassen, überall im Alltag gab es starke Einschränkungen. Die Todesnachrichten von Freunden, Kollegen und Bekannten häuften sich. Der Krieg war überall präsent. Auch auf dem Gymnasialbau in Coesfeld. Die Einberufung von Paul Thomas im Bautagebuch vom 6. März 1916:

20  Einberufung im Bautagebuch 0001 ZLZ%

21  Einberufung im Bautagebuch 0002 ZLZ%

Schon am 1. März hatte – notiert im Bautagebuch -  Regierungsbauführer Langweg seinen Dienst in Coesfeld angetreten und die Verantwortung für den Bau übernommen. 

Was Paul in seinem Quartier in Frankreich wohl nicht wusste: Er wurde in den letzten Augusttagen des Jahres 1917 in seinem Heimatort Coesfeld für seine Verdienste um den Gymnasialbau zur Auszeichnung mit dem Kronenorden IV. Klasse vorgeschlagen. Keine überwältigende Auszeichnung, aber immerhin.

Antrag Coe 1

Antrag Coe 2
Antrag Coe 3

Leider ist nicht überliefert, ob er diesen Orden bekommen hat. Es gibt keinerlei Hinweise, sodass er ihn wohl nicht erhalten hat. Immerhin, das Königliche Provinzialschulkollegium, das den Vorschlag einbrachte, hatte an ihn im Jahr der verzögerten Fertigstellung gedacht.

Im Jahre 1917 wurden Baubestandszeichnungen gemacht, die recht genau das Äussere und die Konstruktion von Paul Thomas gebauten Schule nachvollziehen lassen.

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Im Jahr 1918 wurde Paul Thomas kurz vor seinem Tod an der Front in Nordfrankreich von seiner Frau Martha über die Baufortschritte und die Einweihung des Neubaus informiert. Sie hatte in Coesfeld ihre eingelagerten Möbel begutachtet und schrieb nun ihrem Paul:

Barmen, Donnerstag, 11. Juli 1918
Der frühere Haupteingang zum alten Gymnasium war geschlossen, aber über den Schulplatz konnte ich zum Baubüro, es war aber geschlossen, ganz enttäuscht wollte ich zurück, da traf ich vor dem neuen Gymnasium Luckau. Er fragte direkt nach dir und erzählte mir allerhand und fragte dann, ob ich die Aula mal sehen wollte. Natürlich wollte ich, und so habe ich dann die Hauptsachen gesehen.

Um von außen anzufangen, Paul, die Tür ist wundervoll geworden, besonders das Gitterwerk oben macht sich ganz famos.

Auch die Halle (oder Flur) ist sehr schön hell und freundlich, der Brunnen und die bunten Steine machen sich sehr gut. Das Lehrerzimmer ist sehr nett mit dem (wie Luckau sagt, von dir entworfenen) Bücherschrank. Im Zimmer hängt fast genau dasselbe Bild, was du damals vom Alten Gymnasium hast machen lassen. Schade, dass du das damals nicht mal ausgestellt hast. Deines war mindestens gerade so schön, wie das im Lehrerzimmer.

An der Treppe macht sich das Gitter ganz vorzüglich. Dann kamen wir in die noch nicht fertige Aula. Die Decke ist ganz wunderschön geworden, so warm und so modern und anheimelnd.

Es machte mir große Freude zu denken, dass du das alles entworfen hast und es ist zu schade, dass du nicht selbst die Freude am Gelingen und fertig werden genießen durftest.

Der Erker macht sich auch sehr schön. An den Wänden sind verschiedene Wappen angebracht. Zweimal das alte Coesfelder Wappen, einmal das preußische und einmal das Maximilian-Wappen. das fünfte weiß ich nicht mehr. Die Wände waren unten her nur notdürftig gestrichen, weil die Aula im September zu irgend einer Feier herhalten soll. Aber sonst hat Athner  wunderschöne Farben gebraucht. Derweil ist sicher zufrieden sein, wenn du es siehst. Die Bänke fehlten noch vollständig.

Im Zeichensaal war ich auch. Luckau meinte, er habe zu viel Licht, an zwei Seiten sollte es durch Vorhänge abgewendet werden, damit es nur von links kommen. Im Zeichensaal im Modellschrank stand auch das Modell vom Neubau, dass du seinerzeit mit Rathgeber gemacht hast.

Herr Luckau sagte, Geheimrat Uber und Peters sein verschiedentlich da gewesen und hätten sich sehr zufrieden geäußert. Moormann sei sehr hinfällig geworden, er müsse wohl unter dem Tod seines Sohnes so gelitten haben. Gesing ist auch Soldat, Langweg ist lange krank gewesen und hilft jetzt bei der Regierung in Münster.

Weißt du das Oberlehrer Edelmann und Tekotte beide gefallen sind? Edelmann als Leutnant bei Cambrai und Tekotte hat ein Jahr an einer Verwunderung gelegen und ist dann gestorben. Eckert es auch schon Leutnant, wenn ich nicht irre, Percy auch…

Doch ich habe noch vergessen, dir mitzuteilen, dass die alte Mauer vom Alten Gymnasium stehen bleiben soll, ebenso die Turnhalle. Auch das Direktorwohnhaus soll noch vereinfacht werden, meinen allem gespart werden sollen. Das Direktorwohnhaus soll gebaut werden, so bald wirkliche Friedensaussichten vorhanden sind.

Luckau hat am Gymnasium noch mit den letzten Abrechnungen zu tun. Es ist schade, dass die Fenster nicht noch eine reichere Sprosseneinteilung haben, es hätte doch noch schön ausgesehen.

Hoffentlich habe ich dir nun alles Wissenswerte erzählt, sollte ich noch etwas vergessen haben, so hole ich es ein anderes Mal nach. Hoffentlich bekomme ich nun bald Post von dir.


Der Nachfolger von Paul Thomas, Stadtbaumeister Wolters, würdigte 10 Jahre im Jahre 1928 in einem Beitrag zur Baugeschichte des Gymnasiums  auch die Leistungen von Thomas:

„Als vor nun einem Jahrhundert die Gebäude des früheren Nonnenklosters Marienborn vom Gymnasium in Benutzung genommen wurden, konnte der Vertreter des Provinzialschulkollegiums bei der Feier des Einzuges am 20. Oktober 1828 mit Recht sagen, daß nunmehr das Gymnasium eines der schönsten Gebäude der Stadt sein eigen nenne, ein Haus, welches zu den zweckentsprechendsten Schulgebäuden der ganzen Provinz gerechnet werden müsse. Abgesehen von dem großen Umfange der massiven und dauerhaften Gebäude, der großen Zahl der Einzelräume und der schönen aus der alten Klosterkirche geschaffenen Aula, war auch die gesamte Bauanlage in ihrer Stellung zu den benachbarten Straßen und zum Ortsbild überhaupt eine stattliche und das Ortsbild beherrschende. Von der ursprünglichen mittelalterlichen Klosteranlage Marienborn, welche entsprechend den anderen alten Klostergebäuden der Stadt im Viereck mit einem Kreuzgang um einen Binnenhof angeordnet war und von der die südliche Viereckseite mit nach Osten vorspringendem Chor die Kirche bildete, war im Jahre 1828 nicht mehr viel vorhanden.

Spätere Umbauten und die neue Kirchenanlage aus dem XVIII. Jahrhundert hatten das jetzt noch vorhandene vortreffliche Gesamtbild geschaffen. Während im langgestreckten Vordergebäude die Schulräume und — nach der Kupferstraße hin — die Aula untergebracht wurden, waren die Flügelbauten für das Direktorwohnhaus und die Lehrerwohnungen bestimmt. Im Nebengebäude an der Berkel fand die Pedellwohnung  nebst den Abortanlagen Platz. Im Obergeschoß des Nebengebäudes befand sich unter anderm auch der berühmte Karzer. .

Größere wesentliche bauliche Aenderungen sind damals bei der Einrichtung des Gymnasiums wohl nicht vorgenommen worden; es mag mit Heineren inneren Umbauten, mit der Erneuerung innerer Teile, insbesondere der Türen, welche reich im Empirestil gehalten sind und mit dem Umbau der Klosterkirche in die Aula in der Hauptsache sein Bewenden gehabt haben. In dem übernommenen Zustande sind die Gebäude jahrzehntelang vom Gymnasium benutzt worden. Erst in den siebziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts kam eine neue Turnhalle hinzu, welche auf der Südecke des Grundstücks in leider etwas geringen Abmessungen aufgeführt wurde.

Gegen Schluß des Jahrhunderts machte die zunehmende Schülerzahl auch die Inanspruchnahme des bis dahin Lehrerwohnungen enthaltenden Flügels an der Kupferstrasse für Schulräume erforderlich. Auch wurde die Aula späterhin durch Hinzunahme des Treppenhauses vergrößert. Im Anfang dieses Jahrhunderts wurde dann noch eine moderne Sammelheizuug eingebaut. Gleichwohl zeigte sich im Laufe der Zeit, besonders seit Beginn dieses Jahrhunderts mehr und mehr ein Verfall der alten Gebäude, den die nach alter preußischer Sparsamkeit nur spärlich fließenden Mittel für die Unterhaltung nicht aufzuhalten vermochten.

Die der wachsenden Schülerzahl und den völlig veränderten Ansprüchen an die Belichtung und Einrichtung nicht mehr genügenden Schulräume, die mangelhaften Einrichtungen für einen modernen naturwissenschaftlichen Unterricht usw. machten neben dem täglich mehr empfundenen mangelhaften baulichen Zustand der Räume einen völligen Neubau des Gymnasiums erforderlich.

Schon im Jahre 1912 wurde mit den Vorarbeiten und mit der Aufstellung von Entwurfskizzen begonnen. Als Grundlage der Projektierung wurde eine Zahl von 13 Klassenräumen angenommen. Hiermit hoffte man dem wachsenden Besuche der Anstalt für absehbare Zeit Rechnung zu tragen. Die Wahl des geeigneten Bauplatzes, die erste und oft schwierigste Aufgabe bei Errichtung eines größeren Neubaues, verursachte längere Vorverhandlungen. Unter anderem wurde auch das jetzige Stadthallengelände vor dem Viehtore in Erwägung gezogen. Die Schulbehörde entschied sich schließlich für das alte Grundstück des Gymnasiums an der Kupfer- und Poststraße, da die vorhandenen Hofflächen sowie der große zum Direktorwohnhause gehörende Garten ausreichendes Bauland darboten, zumal wenn noch Teile der anstoßenden, in den Garten vorspringenden alten Gebäudeflügel abgebrochen wurden. Auch konnte der Schulbetrieb im alten Gebäude während der Bauzeit aufrecht erhalten werden.

Zudem war dort eine Turnhalle schon vorhanden, während der erforderliche Schulhof nach Fertigstellung des Neubaues und nach Abbruch des alten Gymnasiums genügend groß blieb, um auch noch an der Ecke des Grundstückes gegenüber der Einmündung der Letterstraße für ein neues Direktorwohnhaus nebst Garten den erforderlichen Grund und Boden hergeben zu können. Mitbestimmend war zweifellos auch die zentrale und doch ruhige Lage, wenn, wie geplant, der Hauptklassenflügel zur ruhigen Poststraße hin verlegt wurde, dann die bei den zahlreichen „Fahrschülern" sehr willkommene geringe Entfernung vom Bahnhofe und endlich die augenblickliche Kostenersparnis.

Es erübrigt sich heute zu fragen, ob der Entschluß der richtige war. Die Kosten eines neuen Bauplatzes und einer neuen Turnhalle, wenn eine solche überhaupt neu errichtet werden mußte, wären zweifellos durch Veräußerung des alten Platzes gedeckt worden. Ob es aber auch dann möglich gewesen wäre, das alte Gymnasium mit seinem schönen, jedem Coesfelder und besonders aber jedem früheren Coesfelder Gymnasiasten liebgewordenen, altvertrauten Stadtbild auch für die Zukunft zu erhalten, erscheint doch nicht sicher. Nach der Entscheidung über den zu wählenden Bauplatz gingen die weiteren Entwurfsarbeiten, welche in den Händen des Königlichen Baurats Adalbert Schultz lagen, schnell vonstatten. Die Baupläne waren im Frühjahr 1914, nachdem noch verschiedene zweckmäßige Änderungsvorschläge des damaligen Direktors Dr. Bödeker Berücksichtigung gefunden hatten, soweit fertiggestellt, daß bald darauf mit der Ausschreibung der Bauarbeiten begonnen werden konnte.

Der Bauplan sah in einem dreigeschossigen aus zwei im rechten Winkel zu einanderliegenden Flügelbauten bestehenden Hauptgebäude 13 Schulklassen vor; außerdem wurden alle Anforderungen, welche an eine neuzeitliche höhere Schule zu stellen sind, voll und ganz berücksichtigt. Der Hauptflügel wurde in großem Abstande von der Kupferstraße parallel zu dieser geplant und rechtwinklig zu diesem längs der Poststraße der eigentliche Klassenflügel mit der Hausmeisterwohnung unmittelbar an der Berkel.

Der Abstand dieses Flügels von der Poststraße ist leider etwas zu gering. Im Hauptflügel sind außer der geräumigen Halle des Haupttreppenhauses das Direktor- und Konferenzzimmer, die Lehrmittelräume, die Bibliothek sowie die Räume für den naturwissenschaftlichen Unterricht untergebracht. Ferner liegen hier der Zeichensaal, der Gesangsaal und die Aula sowie 4 Klassenzimmer. Im Klassenflügel an der Poststraße, an den nach Nordwesten die Hausmeisterwohnung und nach Nordosten hin die mit Spülung versehene Abortanlage stößt, befinden sich in 3 Geschossen 9 Klassenräume sowie das Nebentreppenhaus. Die zunächst ausgeschriebenen Erd-, Maurer-, Eisenbeton- und Zimmerarbeiten wurden an die Firma Th. & C. Wolters in Coesfeld vergeben; aber auch die meisten anderen Arbeiten wurden an heimische Handwerker übertragen.

Vor Beginn mit den Bauarbeiten mußte ein Teil des alten Direktorwohnhauses, sowie die Hälfte des hinteren an der Kupferstraße in den Garten und Hof vorspringenden Flügels abgerissen werden. Bei dem Abbruch des letzteren wurden Teile des aus dem Mittelalter stammenden Kreuzganges des alten Klosters Marienborn freigelegt.

Ehe der erste Spatenstich zum Neubau getan wurde, brach der Weltkrieg aus, so daß die gesamte Bauzeit des Gymnasiums in die Kriegszeit fällt. Anfangs konnten die Bauarbeiten, wenn auch langsamer als gewöhnlich, so doch unbehindert vor sich gehen, so daß im Herbst 1915 das Dach gerichtet werden konnte. Der innere Ausbau aber verzögerte sich durch die Hemmnisse, die der Krieg ausübte, immer mehr.

Dazu kam noch, daß der örtliche Bauleiter, Regierungsbaumeister Thomas, im Frühjahr 1916 ins Feld rücken mußte, wo er nach nicht langer Zeit den Heldentod starb. An seiner Stelle wurde, da dem Staate infolge des den letzten Mann fordernden Krieges eigene Baubeamten kaum mehr zur Verfügung standen, mit Genehmigung der Stadt der Schreiber dieser Zeilen zum örtlichen Bauleiter bestellt. Die Fertigstellung der restlichen Ausbauarbeiten, die Beschaffung des Inventars, die äußeren Arbeiten, welche letztere noch den Abbruch des Restes des Wohnungsflügels erforderten, nahmen noch längere Zeit in Anspruch.

Im Herbst 1917 endlich, am 11. September, wurde der Neubau, dessen Baukosten einschließlich des neuen Inventars insgesamt etwa 270 000 Mark betragen haben, an die Schulverwaltung übergeben, so daß in den darauffolgenden Tagen der Umzug erfolgen konnte, welcher größtenteils durch die Schüler selbst vorgenommen wurde. Bei der Neueinrichtung der naturwissenschaftlichen Räume und Sammlungen war der verstorbene Professor Hüpper und bei der Einräumung und Neuordnung der wertvollen und umfangreichen Schulbibliothek der Oberstudienrat Dr. von Hammel in hervorragendem Maße tätig. Von einer größeren Einweihungsfeier wurde wegen der schweren Kriegszeiten Abstand genommen, zumal auch die innere Ausstattung der Aula noch unvollendet war. Erst im Herbst 1918 wurde auch die Aula, deren schöne innere Ausmalung die Firma Athmer in Coesfeld ausführte, fertig und mit einer bescheidenen Schulfeier am 21. Oktober in Benutzung genommen.

Das neue Gymnasium, geplant in der Friedenszeit und in der Kriegszeit gebaut, steht am Ausgange einer alten und an der Schwelle einer neuen Zeit. Es lehnt sich in der äußeren architektonischen Gestaltung an die Formen der heimischen Spätbarockzeit an.

Während die Außenflächen in Ziegelrohbau gehalten sind unter Benutzung des altbewährten heimischen Ziegelsteins in besandeter Form, wurde für die Architekturteile an den Fensterumrahmungen und Portalen und Giebeln rheinischer  Tuffstein verwandt.

Die fein empfundene Gliederung dieser Werksteinteile, insbesondere des großen zur Kupferstraße gewendeten Giebels sowie die architektonische Ausbildung der Halle und Aula sind in erster Linie das Werk des leider zu früh dahingeschiedenen Regierungsbaumeisters Thomas.

Im obersten Teile des Hauptgiebels hatte er das Wappen der Stadt Coesfeld vorgesehen; doch scheint das in der Heraldik sonst nicht ungewöhnliche Wappentier Anstoß erregt zu haben, da das Wappen nicht ausgeführt worden ist. Die Gesamtwirkung des Neubaues, der besonders in den wohlabgewogenen Verhältnissen der Hauptfront einen vornehmen Eindruck macht, kann aber erst voll zur Geltung kommen, wenn das alte Gymnasium beseitigt ist.

Dem ursprünglichen Plane entsprechend hätte sofort nach Bezug des Neubaues der alte Bau abgerissen werden müssen, um einerseits für einen größeren Schulhof Platz zu schaffen und dann auch für das geplante neue Direktorwohnhaus nebst Garten Raum zu gewinnen. Die Not der Zeit aber entschied anders. Nach dem Kriege war in der Stadt Coesfeld eine nie geahnte äußerst drückende Wohnungsnot ausgebrochen, die auch heute noch nicht behoben ist, so daß jeder einigermaßen geeignete überdachte Raum in der Stadt für Wohnungen in Anspruch genommen werden mußte. Um das in Coesfeld neu eingerichtete Finanzamt provisorisch unterzubringen, mußte daher das alte Gymnasium in Anspruch genommen werden. Das fehlende Direktorwohnhaus wurde dann vorübergehend im alten Aulaflügel durch Umbau geschaffen. Der Verfall der alten Räume schritt aber im Laufe der letzten Jahre derart fort, daß das Reich von der Erwerbung des alten Gymnasiums für die Zwecke des Finanzamtes absah und die Errichtung eines neuen Finanzamtes beschloß, dessen Neubau nunmehr gesichert ist und noch in diesem Jahre in Angriff genommen wird.

Die letzten Jahre haben aber außerdem eine ungeahnte Zunahme der Schülerzahl des Gymnasiums gebracht, so daß die vorhandenen 13 Klassen des Neubaues bei weitem nicht mehr genügen. Nochmals mußte das alte Gymnasium aushelfen. Nachdem die provisorische Direktorwohnung im Aulaflügel durch Versetzung des damaligen Direktors Dr. Themann frei geworden war, wurden hier einige Klassenräume eingerichtet, um für die im Neubau nicht unterzubringenden Doppelklassen Platz zu schaffen. Dauernde Abhilfe kann aber, wenn der zeitige starke Besuch der Anstalt anhält, nur durch Erweiterung des neuen Gymnasiums geschaffen werden. Sobald das Finanzamt fertig gestellt sein wird, was für Ende des kommenden Jahres bestimmt erwartet werden kann, wird der Abbruch des alten Gymnasiums erfolgen können; dann steht der Erweiterung des neuen durch Verlängerung des Hauptflügels nach Nordosten nichts mehr im Wege, Für ein neues Direktorwohnhaus bleibt dann allerdings kein Platz mehr. Es ist deshalb geplant, dieses an anderer Stelle der Stadt zu errichten. Die Erweiterung des neuen Gymnasiums durch Verlängerung des Hauptflügels wird die Wirkung der gesamten Baugruppe zweifellos noch heben, sodaß der heimatliebende Coesfelder dann für den Verlust des altvertrauten Bildes des alten Gymnasiums wohl voll entschädigt werden wird. [Quelle: gaestebuch.corbida.de - entnommen der Festschrift von 1928 Das Gymnasium Nepomucenum zu Coesfeld. 1627–1828–1928 zum 300jhrigen Schuljubiläum und umgewandelt in einen Hypertext (work in progress)]

Bilder aus dem Jahr 1943 zeigen die Schule mit Schülern, die Aufnahme aus 1945 belegt die teilweisen Zerstörung:


24 Coe 1943 ZLZ%

 

25 Coes 1943 ZLZ%


Im Zweiten Weltkrieg wurde die Schule stark in Mitleidenschaft gezogen und danach einfacher wiederaufgebaut:

26 Coe 1945 ZLZ%

27 Coe 1950 ZLZ%


Bis 1978 wurde das Schulgebäude genutzt, dann aber zugunsten einer Einkaufspassage abgerissen:

28 Coe 08 ZLZ%

29 Coe 08  ZLZ%


Wahrscheinlich im Sommer 1915 malte Paul Thomas die beiden nachstehenden Bilder, was sich sowohl aus den gewählten Materialien als auch aus den Motiven ergibt. Es handelt sich wahrscheinlich um die Kastanienallee an seinem Haus in Coesfeld, die dort in die Daruper Str. mündet.

30 Coesfeld Bäume ZLZ%

31 Coesfeld Weg ZLZ%