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Version 02.00.01
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2007 ff.
 

Rudolf Smend d.J.

 SMEND Rudolph-1229  wurde am 15. Januar 1882 in Basel geboren. Er starb am 05. Juli 1975 in Göttingen. Staats und Verfassungsrechtler

Rudolph heiratete HÜBNER Gisela-2010  am 17. Oktober 1924 in Jena. Gisela wurde am 14. Juli 1899 in Bonn geboren. Sie hatten vier Kinder.

Sein Vater Rudolf Smend bekleidete in Basel zu der Zeit der Geburt seines Sohnes eine Professur für Altes Testament und orientalische Sprachen. Seine Mutter war Hedwig Smend, geborene Woymann. Der Vater folgte 1889 einem Ruf nach Göttingen, wo sein Sohn Rudolf weiter aufgewachsen ist.

Ab 1900 begann Rudolf Smend mit Studien in Basel, Berlin, Bonn und Göttingen, welche er 1904 in Göttingen mit der preisgekrönten Dissertation über das Verhältnis der preußischen Verfassungsurkunde zur Belgischen abschloß.

Mit einer Arbeit über das Reichskammergericht habilitierte er sich 1908 unter Albert Hänel an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

1909 erhielt er eine Berufung als außerordentlicher Professor in Greifswald; 1911 wurde er in Tübingen zum ordentlicher Professor berufen. 1915 wechselte er nach Bonn und 1922 weiter nach Berlin. 1935 musste er auf politischen Druck von der Reichshauptstadt in die „Provinz“ wechseln und einen Ruf nach Göttingen annehmen. Dort ist er bis zu seinem Lebensende geblieben.

Nach dem Krieg war er der erste Nachkriegsrektor der Universität Göttingen und trug maßgeblich zur schnellen Wiederaufnahme des Lehr- und Forschungsbetriebes bei. Als Vertreter der Universitätstheologie unterzeichnete er im Oktober 1945 das Stuttgarter Schuldbekenntnis. 1944 bis 1949 bekleidete er das Amt des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Nach seiner Emeritierung (1951) setzte er sein kirchenrechtliches Seminar noch bis 1965 fort; das staats- und verfassungstheoretische sogar bis 1969.

Smend wurden vier Ehrendoktortitel verliehen; zwei Festschriften wurden ihm dargebracht.  Er war Mitbegründer der „Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht“ und gehörte 1948 zu den Herausgebern bei der Wiederaufnahme des „Archivs des öffentliches Rechts“. 1946-1955 gehörte Rudolf Smend dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland an. 

Rudolf Smends wissenschaftliches Wirken widmete sich nach anfänglichen rechtsgeschichtlichen Schriften später ausschließlich den beiden großen Gegenständen Staat und Kirche. Im Mittelpunkt stand dabei vor 1945 das Staats- und Verfassungsrecht. Erst später wandte er sich auch verstärkt dem Kirchenrecht zu. Als sein Hauptwerk wird die Schrift „Verfassung und Verfassungsrecht“ (1928) angesehen. Grundlegend arbeitete er darin insbesondere seine Integrationslehre heraus. Es ging ihm dabei darum, eine Theorie des Staates zu entwickeln, die nicht auf der Basis normativer Deduktion, sondern soziologischer und geisteswissenschaftlicher Erkenntnis zu zeichnen ist. Er legte dem eine Soziallehre zu Grunde, die den Staat als geistige Realität versteht, die aus der Wechselwirkung individueller Lebensvorgänge aufgebaut ist. Auch ging es ihm darum, die staatsrechtlichen Grundbegriffe neu zu fassen und dabei den dynamisch-dialektischen Charakter des staatlichen Lebensprozesses zu betonen. Die Verfassung wird in der Smendschen Integrationslehre in ihrer Funktion für die Einheit des Staates gesehen. Die staatlichen Organe und Gewalten werden nicht als Substanzen ruhender Art, sondern als bewegende Kräfte verstanden.  Als bekennende Anhänger der Smend-Schule lassen sich u.a. Ulrich Scheuner, Horst Ehmke, Konrad Hesse [späterer Verfassungsrichter, u.a. federführend bei bemerkenswertem Rundfunkurteil] und Peter Häberle bezeichnen. Im Bereich der Politikwissenschaften kann auch Wilhelm Hennis dazu gezählt werden. Die immer noch anhaltende Fruchtbarkeit der Integrationslehre beruht nach Ansicht seiner Schüler darauf, dass sie den rechtlichen Positivismus und die Auflösung von Norm und Wirklichkeit überwindet und damit neue Arbeitsfelder erschließt.

Smends Thesen werden dabei insbesondere von positivistischer Seite im Hinblick auf dieUnschärfe der Begriffe, die Verbindung der Rechtsbegriffe mit inhaltlichen Wertvorstellungen und Maßstäben kritisiert. Die Intergrationslehre wird kritisiert als ein Modell radikalen politischen Immanenzdenkens, soweit sie die eigene Wertgesetzlichkeit des staatlichen Integrationsprozesses in den Vordergrund stellt. Auch unterschätze die Integrationslehre die Eigenbedeutung des Rechts. Sofern sie als Staatstheorie angesehen wird, wird sie als uneindeutig und fragmentarisch kritisiert.

Smend stellte mit der Intergrationslehre gewissermaßen den wissenschaftlichen Gegenpol zu den dezisionistischen Thesen Carl Schmitts auf, die dieser in seinem ebenfalls 1928 erschienenen Standardwerk „Verfassungslehre“ vertrat. Die sich aus diesen gegensätzlichen Forschungsansätzen entwickelnden Schulen machten sich in der bundesrepublikansichen Staatsrechtsdiskussion noch bis in die Siebziger Jahre und in Abstrichen sogar bis heute bemerkbar.“[Quelle: Wikipedia 15.12.2007]
 

Im Jahre 1952 war Rudolf Smend zwar bereits emeritiert, nahm aber doch an einer Arbeitsgruppe teil, die der damalige NWDR Generaldirektor Adolf Grimme einberufen hatte, um gegen die ständigen Angriffe [gegen den NWDR] insbesondere der Bundesregierung und der CDU mit einer Denkschrift auch theoretisch gewappnet zu sein. In einer Arbeit über die “NWDR Rundfunkschule” von Dietrich Schwarzkopf, dem langjährigen NDR Fernseh- und ARD-Programmdirektor und zeitweiligen stellvertretenden NDR Intendanten heißt es:

„Eine groß angelegte Diskussion des Inhalts der Denkschrift fand auf einer weiteren Tagung (nach Zählung der Rundfunkschule der fünften) am  6.  und 7. Juni 1952 unter der Leitung von Professor Hans Wenke (Tübingen) statt. Der Teilnehmerkreis war noch größer (82 ohne die NWDR-Angehörigen).  Adolf Grimme betonte bei der Eröffnung, der NWDR habe sich entschlossen, dieses Forum der Repräsentanz einer großen Öffentlichkeit zusammenzurufen, „damit, wenn wir zu übereinstimmenden Thesen kommen sollten, es für die Regierung, heiße sie, wie sie wolle, unmöglich sei, an dieser deutschen Abwandlung eines Beveridge-Planes vorbeizugehen“. William Henry Baron Beveridge hatte 1942 in amtlichen Auftrag eine Denkschrift vorgelegt, nach der 1946 der britische staatliche Gesundheitsdienst aufgebaut wurde. Die Dimension eines Plans, der das gesellschaftliche System eines Landes maßgebend bestimmte, wurde hier angestrebt, aber nicht erreicht. Grimmes Hoffnung, dass es am Schluss der Tagung zur Formulierung von Thesen kommen werde, erfüllte sich nicht. Wohl präsentierten mehrere Teilnehmer eigene Thesen, aber zu einem gemeinsamen Text kam es nicht.

Hamburgs Erster Bürgermeister, Max Brauer, der an der Tagung teilnahm, erklärte zur künftigen Verfassung des Rundfunks:

‚Aber eines, glaube ich, ist sicher: Die Organisationsformen, die im demokratischen Staat für Organisationen wie diese gefunden werden müssen, dürfen nicht so aussehen, dass der Rundfunk zu einem Streitobjekt der politischen Parteien wird. Dabei müssten Organisationen und Leistung zugrunde gehen’.

Das Protokoll der Tagung wurde in 3.000 Exemplaren verbreitet (die Denkschrift war bereits vergriffen).  Die Kosten der Tagung betrugen 40.767,02 DM. Die Bedeutung der Tagung wurde auch dadurch unterstrichen, dass sie im Kaisersaal des Hamburger Rathauses stattfand. Gespeist wurde im Rathauskeller. Der protokollarische Aufwand sollte die Bedeutung der Veranstaltung in den Augen der Teilnehmer wie gegenüber der Öffentlichkeit hervorheben.

Das Thema „Auseinandersetzung mit den Grundlagen für eine sinnvolle Rundfunkgesetzgebung“, das bei den Hochschullehrertagungen immer mehr in den Vordergrund gerückt war, wurde zum alleinigen Gegenstand der letzten Hochschullehrertagung am 9. und 10. April 1953, an der lediglich neun Professoren, prominente Vertreter des öffentlichen Rechts, der Politischen und Sozialwissenschaften, teilnahmen: Theodor Eschenburg (Tübingen), Michael Freund (Kiel), Hans Peter Ipsen (Hamburg), Siegfried Landshut (Hamburg), Gerhard Leibholz (Göttingen), Hans Nawiasky (München), Rolf Smend (Göttingen) und Hans Wenke (Tübingen). 

Die Beschränkung des Teilnehmerkreises auf wenige Professoren unter Vorantritt von Staatsrechtslehrern war offensichtlich dazu bestimmt, aus dem Stadium des unverbindlichen, nicht in gemeinsam vertretene Thesen gefassten Gedankenaustauschs herauszutreten und konkrete Modellvorschläge für die rechtliche Ordnung des Rundfunks zu erhalten.

Die Professoren verfassten eine gutachterliche Äußerung zu dem Entwurf eines Bundesrundfunkgesetzes, dessen Behandlung im Bundestag unmittelbar bevorstand. Wie später das Bundesverfassungsgericht in seinem ersten Fernsehurteil vom 28. Februar 1961 kamen sie zu dem Schluss, dass die inhaltliche Gestaltung der Rundfunkprogramme nicht in die Zuständigkeit des Bundes, sondern in die Zuständigkeit der Länder fällt, und dass ein Bundesrundfunkgesetz nur für die Regelung technischer Aufgaben sowie für den Auslandsfunk in Frage kommt. Der NWDR-Justiziar Hans Brack und der Technische Direktor Werner Nestel wollten das Professoren-Gutachten unmittelbar vor der Bundestagsdebatte allen Abgeordneten zugänglich machen. Dies wurde in Abwesenheit Grimmes von seinem Stellvertreter, dem NWDR-Verwaltungsdirektor Franz Schmidt, mit der Begründung unterbunden, der NWDR würde mit der Verteilung nur von der viel wirksameren Demonstration der Länder ablenken. Diese bestand darin, dass die Vertreter der Bundesländer bereits am 23. Februar 1953 in einer Besprechung mit dem Bundesinnenminister den Regierungsentwurf eines Bundesrundfunkgesetzes aus verfassungsrechtlichen Gründen nahezu einhellig abgelehnt hatten“. [Quelle: D. Schwarzkopf, Rundfunkschule, Hamburg 2007 im Rahmen des Projektes „Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland“, in dessen Beirat M.W.Thomas für einige Jahre den NDR im Auftrage des Intendanten vertreten hat]

Die verfassungsrechtlichen Grundideen des Arbeitskreises, in dem Rudolf „Rolf“ Smend eine wesentliche Rolle spielte, hatten in den Folgejahren deutlichen Einfluss  auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, das mehr als einmal dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk half, politischen Angriffen zu trotzen und den vielfachen Versuchen des konservativen christdemokratischen, meist katholischen und wirtschaftlichsliberal orientierten Politikblocks, sich den Rundfunk inhaltlich und politisch bequem zu gestalten, einen klaren Riegel vorzuschieben.

Zum 80. Geburtstag schrieb die FAZ über Rudolf Smend jr:

Der Göttinger Staats- und Kirchenrechtler Rudolf Smend, der heute in sein neuntes Jahrzehnt tritt, ist in seinem Gelehrtenleben Wege gegangen, die oft neben den großen Heerstraßen gängiger juristischer Denkweise lagen. Ein ausgeprägter Sinn für geistesgeschichtliche Zusammenhänge, für Geschichte überhaupt sowie für die sie bewegenden gesellschaftlichen und politischen Kräfte rief in ihm früh Widerspruch gegen die im Kaiserreich wie in der Weimarer Zeit herrschende, am Vordergründig-Formalen orientierte positivistische Staatslehre hervor.

Seine Gegenposition hat Smend in dem 1928 erschienen Werk „Verfassung und Verfassungsrecht“ herausgearbeitet: Es ist die unter dem Namen „Integrationslehre“ berühmt gewordene Konzeption vom Staat als einer Einheit, welche sich durch das manifestierte Bewußtsein der Bürger ständig neu verwirklicht, vom Staat, „der von einem Plebiszit lebt, das sich jeden Tag wiederholt“. Smend konnte sich mit dieser Auffassung, in deren Licht die Krankheit des Staates von Weimar auch vom verfassungstheoretischen Blickpunkt deutlich werden mußte, nicht durchsetzen. Sie hat aber viele seiner Schüler angeregt und, wie es scheint, auch in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Eingang gefunden. Vielleicht noch stärker wirken in der heutigen Theorie und Praxis des Verfassungsrechts Smends Ideen über das Recht der freien Meinungsäußerung, über die akademische Lehrfreiheit und über die Pflicht der Glieder eines Bundesstaates zu bundesfreundlichem Verhalten. Dabei ist Rudolf Smend, der Gelehrte par excellence, nie auf unmittelbare politische Effekte bedacht gewesen.

Den Nationalsozialisten erschien er gleichwohl auf seinem Berliner Lehrstuhl, auf den er 1922 gerufen worden war, gefährlich; sie zwangen ihn, nach Göttingen zu gehen. Einschüchtern konnten sie ihn aber nicht; im Kampf des Regimes gegen den Protestantismus verteidigte Smend unerschrocken die Freiheit der Kirche, der er in seiner stillen, zurückhaltenden Art jahrzehntelang auch in vielen Ämtern diente. Es mag auch daher rühren, daß er sich von Jahr zu Jahr mehr dem Kirchenrecht zuwandte, dem er heute seine ganze Kraft widmet. [Quelle: FAZ 15.1.1962/Rm]