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Version 02.00.01
© ZeitLebensZeiten
2007 ff.
 

Friedr. H. Smend - Adelheid Gauhe

SMEND Friedrich Hermann (Münsterer Ast)-42   wurde am 31. März 1814 in Ledde geboren. Seine Eltern waren SMEND Florens Jacob „der ältere Ledder Pastor“-84  und HASENKAMP Friederike Luise-85

Das Gymnasium besuchte er in Bielefeld,Studium in Bonn,Berlin. Am 17.5.1843 wurde er Pfarrer in Lengerich,1857 in Münster, wo er auch Konsisorialrat sowie ab 1874 hauptamtlich Regierungs- und Schulrat wurde. Er starb am 24. Juni 1883 in Münster .Er verfasste die Kirchengeschichte der Grafschaft Tecklenburg (Güterloh 1850). [Quelle: Baucks, S. 478]

Friedrich heiratete GAUHE Adelheid-43  Tochter von GAUHE Johann Salomon-86 und HÖSTEREY Anna Elisabeth-87 am 20. September 1843 in Barmen-Wupperfeld. Adelheid wurde am 18. Juli 1818 in Barmen-Wupperfeld geboren. Sie starb am 03 November 1894 in Ledde.

Über das Leben von Adelheid Smend, geb. Gauhe, gibt es eine sehr ausführliche Lebensbeschreibung, die ihre Tochter Luise Smend, angefertigt hat. Die erhaltene Abschrift dieses Lebensbildes, von Luises Sohn Arnold Torhorst und Enkel Siegfried Torhorst gefertigt, wurde in den Jahren 2009/2010 übertragen und durch leichte Vornamens- und Namens-Ergänzungen und Streichungen der Bezüge (“mein Großvater, euer Großvater, dein Urgroßvater” etc) zur Gauhe-Smend-Chronik geformt, die für diese beiden Familien ein erstaunlich genaues und auch interessantes Lebensbild zeichnet. Um die Lebensumstände möglichst genau zuordnen zu können, wurde der Text jeweils den betreffenden Personen direkt zugeordnet. Nur allzu Persönliches, was für eine zeitgeschichtliche Betrachtung nicht zwingend von Interesse sein sollte, wurde ausgespart( nicht einmal 1% des gesamten Textes)

TOrHORST % 04

Die zahlreichen Nachkommen waren theologisch, juristisch wie gesellschaftspolitisch sehr erfolgreich und vor allem prägend. 

Die Kinder von Florens Jacob Smend und Adelheid Gauhe, deren einzelnen Lebensbeschreibungen unter NACHKOMMEN SMEND zu finden sind:

1. SMEND Friedrich Ludwig Florens (Friedrischer Zweig)-643  wurde am 30. Juli 1845 in Lengerich geboren.

2. SMEND Maria Sophia Luise Jacobina-17  wurde am 18. Juni 1847 geborenLuise Smend heiratete Arnold Torhorst den „Urgroßvater”. Sie hatten 7 Kinder.

3. SMEND Paula-644  wurde am 22. August 1849 in Lengerich geboren. Sie starb am 15. April 1932 in Osnabrück. Paula heiratete SMEND Martin Johannes Florens (Florensscher Zweig)-774  am 22. Oktober 1874 in Münster in Westfalen. Martin wurde am 02. Juli 1845 in Leeden geboren. Er starb am 22. November 1916 in Osnabrück. Er war Pfarrer in Osnabrück

4. SMEND Rudolf  „der Jurist“ (Rudolfscher Zweig)-645  wurde am 05. November 1851 in Lengerich geboren. Rudolf Smend, dessen Sohn als Staatsrechtler in den ersten NWDR-Jahren wesentlich die verfassungsrechtliche Grundlage für das staatsfreie Rundfunksystem mit geschaffen hat, gehört zu den großen Juristen Deutschlands.

5. SMEND Hermann-646  wurde am 27. April 1854 in Lengerich geboren. Er starb am 13. September 1887 in Münster . Referendar in Münster, Leutnant der Reserve im 1. Westfäl. Infanterieregiment Nr. 13

6. SMEND Marie-647  wurde am 20. Dezember 1855 in Lengerich geboren. Sie starb am 09. Oktober 1881 in Münster .

7. SMEND Julius „der Theologe“ (Juliusscher Zweig)-648 wurde am 10. Mai 1857 geboren. Julius Smend, arbeitete in Straßburg als liberaler Theologe mit Wilhelm Nowack zusammen, dem Schwiegervater der Tochter Luise von Florens Jacob und Adelheid Smend, also dem Urgroßvater des Autors. Er war auch Vorsitzender der Neuen Bachgesellschaft. Er starb am 07. Juni 1930. Mehr in Wikipedia

8. SMEND Wilhelm (Wihelmscher Zweig)-649  wurde am 18. April 1861 in Münster  geboren.


Über das Leben von Friedrich Hermann Smend und seiner Frau Adelheid Gauhe (Kindheit) ist in der Gauhe-Smend-Chronik zu lesen. Immer wieder gibt es Bezüge zu Verwandten aus den Familien, die durch die Links zu diesen Personen leicht nachzuvollziehen sind - ein Vorteil des Internets. Die Geschichgte beginnt mit dem Kennenlernen von Adelheid Gauhe und Friedrich Smend. Der Sprachduktus, der im 21. Jahrhundert manchmal ungewohnt erscheint, ist voll erhalten geblieben. Zitate sind kursiv gesetzt

1837

Als 1837 am 3. März in Prüm der kleine Gottfried [Sohn von Luise Gauhe und Rudolf Smend, Bruder von Friedrich Smend] geboren wurde, war Adelheid wieder der Schwester Pflegerin und Hilfe. Wieder kann zur Taufe Friedrich Smend, der inzwischen öfter von Bonn her mit seinem Freunde Ludwig von Roscher den Weg nach Prüm durch die schöne Eifel zu Fuß und die Liebe Schwägerin zur Vertrauten seines Zagens und Hoffens gemacht hatte. Bei der Taufe ist es wohl zur Aussprache gekommen und auf dem Heimweg nach Lengerich in Barmen den Eltern, wenn sie schon längst von der Sache wussten und Friedrich lieb hatten, ein kurzer Besuch gemacht. Von da an korrespondierten Friedrich und Adelheid, und nach Prüm kam von Papa Smend in Lengerich ein Paket mit Honigkuchen und Apfelsinen „die nicht zu den verbotenen Früchten aus dem Paradies gehörten“. [Quelle: Gauhe-Smend-Chronik]

1839

Eine lange Wartezeit begann. Der  [Pfarrstellen] Kandidaten waren im Tecklenburger Land so viele, der offenen Stellen wenige. Adelheids Abschreibebuch zeigt an manchen kleinen Notizen, wie schwer ihr das Herz oft war.

1839 am 9. Mai wurde Elisa[beth] geboren. Wieder durften sie in Prüm zur Taufe beisammen sein. Damals starb in Leeden der prächtige Pastors Siemsen nach ganz kurzer Krankheit und gesegneter Arbeit. Wie gern wäre Friedrich [Smend] dorthin gegangen. [Adelheid Gauhe] hat es in ihren Aufzeichnungen berichtet, wie schwer es für das junge Paar war, dass die Geschwister [also Luise Gauhe und Rudolf Smend] von aus Prüm dorthin gesetzt wurden, so sehr sie ihnen das Leben in der Heimat in enger Gemeinschaft mit den alten Eltern in Lengerich, der verhältnismäßigen Nähe der Barmer Eltern nach den öden Jahren in der Fremde der Diaspora gönnten.

Statt Adelheid ging Auguste zum Einrichten mit nach Leeden, lernte dort [Adelheids künftigen Bräutigam] Friedrich und die künftigen Schwiegereltern Adelheids so recht kennen, und das wurde ein neues Band für Zusammenleben der Schwestern in Barmen.
 

1843

Die Zeit in Lengerich

Es ging noch durch viele Enttäuschungen, bis 1843 [Friedrich Smend] als Hilfsprediger für den alten Pastor Kriege und den eigenen alternden Vater Smend von der Gemeinde gewählt wurde, am 17. Mai in Lengerich ordiniert ward und dann sogleich nach Barmen zur Verlobung reiste, die am 22.Mai fröhlich gefeiert wurde. Oft hat ...[Adelheid Gauhe] erzählt, wie sie in Erwartung des Bräutigams oben auf ihrem Zimmer das Buch des Tobias gelesen hat, und im Blick auf das künftige Leben in Lengerich sich besonders die Worte einzuprägen wusste: „Dass sie ihres Mannes Eltern Ehre als die eigenen achte, dass sie das Gesinde fleißig regiere und sich selbst züchtig ich halte“. Dem ist sie wirklich nachgekommen.

In Barmen mussten zunächst die nötigen Besuche gemacht werden und willig ließ sich [Friedrich Smend], der sehr einfach ausgestattet herangereist kam, sich von seiner glücklichen Braut dazu etwas „fein machen“. Auch nach Mühlinghausen gingen sie, um den verehrten Pastor R. Stier zu besuchen, an dessen Predigten ..[Adelheid Gauhe]  besonders Freude hatte, dessen „ Brief an die Hebräer“ bis in die letzte Lebenszeit hinein ihr besonders lieb war. Er sagte dem Bräutigam beim Abschied: „Wie der Herr sie zusammengeführt hat, so fügte er sie nun zusammen zu der tiefsten Gemeinschaft“.

Auf der Reise, die [Adelheid Gauhe] mit ihrer Mutter [Anna Elisabeth Gauhe, geb Hösterey] im Sommer nach Lengerich machte, kamen sie auch mit zum Missionsfest nach Kappeln. Der Lengericher [Schwiegervater Smend] bat, als die Braut zu der Fahrt im dunklen Gewand erschien, sie möchte doch über ihr hübsches blaues Kleid anziehen, und als dieses willig geschah, meinte er: „O, wenn doch alle meine Predigten auf so fruchtbaren Boden fielen!“ [Geheiratet wurde am 20. September 1843]

In dieser Zeit trat [Adelheid Gauhe ihrem] Schwiegervater [Smend]sehr nahe. Sie durfte bei Tisch immer neben ihm sitzen, aber wenn Tante Luise von Leeden kam, muss sie ihr weichen. „Dich habe ich lieb“, meinte er dann, „aber vor Luischen habe ich Respekt“.

Von der Hochzeit, dem Einzug in Lengerich dem ersten Einleben hat [Adelheid Gauhe] selbst erzählt. Sie musste sich sehr an den Verkehrston der Kleinstadt gewöhnen, und manche Mutter, die ihre Tochter gern dem tüchtigen, frischen jungen Friedrich Smend gegeben, sah sie mit scheelen Augen an, in der ersten Zeit. Töchterlich sorgte sie für die Schwiegereltern, soweit die etwas förmliche Schwiegermama, die sie alle Zeit mit „Sie“ angeredet hat, es zuließ und manche Schwächen des Alters hat sie geduldig getragen... Solange die Eltern lebten, trat sie ganz zurück, richtete sich in allen Dingen nach ihnen. Dann zogen sie aus der kleinen Mietwohnung in das elterliche Smend’sche Haus, und nun fängt das Leben der Arbeit und Verantwortung der Pfarrfrau für [Adelheid] an.

Die Landwirtschaft war er neu, fremd und schwer. Sie schloss sich einmal anfangs in der Scheune ein, wo zwei Kühe, zwei Schweine und ein frommes Pferd versorgt wurden, nahm alle Garten- und Feldgerätschaften von der Wand und überlegte, was damit wohl gemacht werde. Durch kluges Fragen bei der alle Zeit hilfsbereiten Tante Banning im Nachbarhaus, durch aufmerksames Zusehen bei jeder Arbeit in der Scheune, im Garten und Feld wusste sie bald Bescheid, lebte sich mit großer Treue ein, versuchte den Armen und Kranken zu helfen, wobei ihre natürliche Nüchternheit  und praktische Begabung ihr sehr zustatten kam.

Mit ihrer Kollegin, der alten Pastorin Kriege, die eine sehr nach innen gewandte, theologisch aber durchaus enge und ängstlichen Natur war, verstand sie sich nicht besonders gut. Missionsverein war ihr Hauptanliegen, während [Adelheid] zunächst näher liegenden Schäden suchte besser zu helfen, obgleich sie lebenslang auch für die Missionsarbeit ein besonders warmes Interesse gehabt hat und bis an ihr Lebensende behielt.

Bei der Geselligkeit in Lengerich war [Adelheid Smend, geb. Gauhe] das viele Auftischen von Kuchen und süßen Speisen fremd und fatal. Sie sprach es mal gegen den ehrlichen Vetter Hasenkamp aus. Der riet ihr aber, zunächst nichts darin zu ändern, sondern alle Damen, die in die ersten Gesellschaften geladen worden, ebenso reichlich zu bewirten. „Sie halten dich für geizig, solange sie dich nicht kennen, damit grenzt du jeden Einfluss, aber hernach kannst du mit Gleichgesinnten Rat nehmen und alles vereinfachen“. Und so machte es [Adelheid Smend mit Hilfe der] Pflegetöchter, die bald nach der Übersiedlung in das große Haus kamen, war die Arbeit vermehrt und auch die Unruhe. Vielleicht kamen die eigenen Kinder nun nicht zu ihrem vollen Recht, aber [Adelheid Smend] suchte mit klugen Sinn dadurch die Einnahmen zu vermehren, die ihr knapp genug waren und blieb geistig dadurch besonders frisch.

Für [ihre] Kinder hatte [Adelheid Smend] nicht so viel Zeit nach der Schule. Mit flinken Händen, hurtigen Füßen, in ziemlich sauberen Kleid, immer ein Häubchen tragend, so ..[erinnert sie ihre Tochter Luise Torhorst, geb.Smend]: Ein etwas strenger Zug lag oft in ihrem lieben Angesicht. [Friedrich Smend war für seine Kinder] das Evangelium, während [Adelheid] mit fester Hand - und das war nötig! - dem großen, vielgestaltigen Hauswesen das Gesetz vorhielt, dessen Erfüllung [ihr Mann den Kindern] vorlebte ohne viele Worte.“[Quelle: Gauhe-Smend-Chronik]
 

Luise Torhorst, geb. Smend berichtet über die Ausflüge mit ihrem Vater Friedrich Smend, der als Pastor über Land ziehen musste:

„Wie glückselig zogen wir mit ihm zu Krankenbesuchen durch die Lengerich Gemeinde, nach Antrup, Oldrup, Exterheide, Sattel und Hohna, Schallbruch und Ringel. Eine (Mohrrübe?), die bei weiten Wegen als Lock- und Stärkungsmittel mitgenommen und unversehens fallen gelassen wurde zu unseren Füßen, erregte jubelnde Freude. Manche Bauersfrau steckte uns ein Ei in die Tasche, das zu unserem Kummer und [Mutter Adelheids] Verdruss unterwegs zerquetschte und das Kleid beschmutzte, ohne uns irgendwelchen Genuss zu bringen. Das herrlichste war, wenn Rieke, die große Magd, beim Hereinkommen aus der Schule uns sagte wohin denn [Vater Friedrich] geritten sei und woher er wiederkehre. Dann rannte ich die Münsterstraße hinunter und wartete an einem Scheideweg geduldig, bis das brave Pferd mit seinem hässlichen Schwanz und [Vater Friedrich Smend] auf seinem Rücken auftauchte. Dann lief ich neben her bis zum ersten Haus am Weg und Mann oder Frau hob mich dann zu ihm hinauf, wo ich dann stolz und sicher von Großpapa am linkem Arm festgehalten Lengerich zuritt. Noch spüre ich die Bewegung des Tieres unter mir und habe den Geruch seiner Haut und Haare in der Nase. Das treue Pferd hieß Lieschen. Der wachsame anfängliche Hund Bello, eine graubraun kurzhaarige Steinbracke [sauerländische Hundeart], war stets in [Vater Friedrich Smends] Begleitung und musste sonntags und bei Leichen Predigten vorsichtig eingesperrt werden.

Durch viel Arbeit und Mühe musste [Mutter Adelheid] hindurch von früh bis spät und wie streng war sie gegen sich selbst! Nie ließ sie sich gehen, und wenn sie noch so schwach und müde war bei den vielen kleinen Kindern.  [Quelle: Gauhe-Smend-Chronik]
 

Die Zeit in Münster

Durch [Friedrich Smends] Berufung nach Münster wurde [seiner Frau Adelheid] eine große Last ... von den Schultern genommen. Die ganze Landwirtschaft durfte sie ablegen und sich wieder in altgewohnten prächtigen Verhältnissen bewegen. Und doch: Wie schwer ist auch ihr der Abschied von dem traulichen Lengerich geworden, der Städte ihrer glücklichen reichen Jahre mit dem geliebten[Friedrich].

In Münster fand...sich [Adelheid] schnell zurecht, nur musste die Kinderschar aussichtiger, besser, gekleidet werden, und ganz andere gesellige Verpflichtungen traten an sie heran. Sie blieb in derselben Einfachheit und Nettigkeit, und Klarheit leuchtete von ihrem Angesicht.

Woher kam die innere Ruhe und Sammlung? Jeden Morgen, sobald [Adelheid Smend]nach dem Frühstück eigenhändig mit einer Pflegetochter die Tassen gespült, mit dem Küchenmädchen wegen der Mahlzeiten alles überlegt und noch gesehen, ihr Schlafzimmer fertig gemacht hatte, schloss sie ihre Türen für eine halbe Stunde und dann durfte niemand sie stören. Da suchte und fand sie die Kraft! Und wenn die Tagesarbeit vollbracht war, sie vom Spaziergang mit [ihrem Mann Friedrich], der regelmäßig gemacht wurde, oder von den Vereinen oder einzelnen Gesellschaften wiederkam, dann legte sie ihr gutes Kleid ab, sah es genau nach und zog ein älteres Gewand an, um das bessere zu schonen, und dann geht sie wieder ihre stille halbe Stunde allein für sich. Erst zum Abendbrot kann sie wieder zu uns. [Ihre] Kinder wussten das alle, erkannten freilich damals noch nicht, wie wir es jetzt wissen, dass da das Geheimnis ihrer inneren Festigkeit, die Wurzeln ihrer Stille und ihrer Kraft lag.

Wie hat [Vater Friedrich] sie [seine Frau Adelheid]hoch gehalten, wie zärtlich und zart sie geliebt, solange er lebte! Solche Ritterlichkeit, Fürsorge, seine Höflichkeit sah [seine Tochter Luise Torhorst, geb.Smend] niemals wieder bei einem Mann seiner Frau gegenüber: Wohl hat er sie dadurch auch verwöhnt und seine Töchter auch, aber es bleibt eine köstliche Erinnerung. Er stand morgens vor ihr auf, wollte gern volle Freiheit der Bewegung haben für sein Ankleiden. Dann ging er in seinen Studierzimmer, nachdem er ..[seiner Frau] eine Tasse Kaffee geholt. Kam sie zum Frühstück, sagte er gern: „Kinder, steht auf, die Sonne geht auf“.

Er hatte dann zierliche Butterbrote für sie gestrichen und neckte sie fröhlich besonders mit den Vereinen, in denen sie sehr tätig und ihr praktischer Rat und geschickter Hand und kluge Buchführung sehr geschätzt war: der „große“ Montag mit dem vornehmen, monatlichen Frauenverein, der große Donnerstag mit dem Missionsverein, der alle 14 Tage stattfand, der Näherinnenverein, dessen langjährige Vorsteherin sie war. Wie war sie eifrig beim Zuschneiden, wie sorgfältig bei der Verteilung und den Weihnachtsgaben.

[Vater Friedrich] war sorglos in allen Geldfragen. Kamen Rechnungen, legte er sie in eine Lade seines Pultes. Wohl ihm und uns, dass er die sorgsame  Frau hatte, die mit festem Haushaltsplan wirtschaftete, mit klugem Sinn, mit sparsamer Hand. Das Kostgeld für die Pflegetöchter war ihr erwünschte Beihilfe. [ihre] Kinder wünschten wohl im Stillen sehr, dass, als [sie] selbst heranwuchsen, ein Ende gemacht werde und [sie] mit den Eltern allein leben möchten, aber wenn neue Anfragen kamen, sagte doch [Mutter Adelheid] ungern „Nein“, da einmal Platz und Einrichtung dafür vorhanden war. [Quelle: Gauhe-Smend-Chronik]
 

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1877

Zu Hermanns [Torhorsts] Taufe am 18. Januar (1877), den [dessen Großvater Friedrich Smend] als den alten Krönungs Tag und Geburtstag von Matthias Claudius besonders für die Feier ausgesucht und gestimmt hatte, kam er selbst sehr fröhlich mit [Ehefrau Adelheid], [Tochter]Mariechen und [Schwägerin] Hedwig [Ehefrau von Rudolf Smend], den Patinnen angefahren.

Es war eine besonders schöne Feier in der Kirche und dem Hause. Abends fuhr [Adelheid] mit ...[Schwiegertochter]  Hedwig[Smend] nach Münster zurück, [Friedrich Smend] blieb die Nacht, ging am anderen Tage, wie es so sehr liebte, zu Fuß durch Eis und Schnee über die Meesenburg nach Lengerich und weiter nach dem Bahnhof. Er kam in heftiges Schneetreiben und ganz durchnässt und durchfroren in den Zug und nach Münster, wo sich eine heftige Erkältung und ein böser Katarrh um entwickelte, dessen Folgen er nie ganz wieder verlor. Marie [Smend] blieb damals noch einige Tage in Ledde .., und ihre Hilfe und Fürsorge, ihre Liebe zur den Kindern, ihr Verständnis für [Arnold Torhorsts] ganzes Wesen und seine Eigenart tat [Luise Smend] natürlich ausgesprochen wohl...[Die Schwestern kamen sich] in jener Zeit ganz besonders nah.

[Luise Torhorst reiste] 1877 im Herbst, nachdem [ihre Eltern Adelheid und Friedrich Smend] wie gewöhnlich in Norderney gewesen waren, mit ihnen über Nordhausen nach  Dudenrode. zu des kleinen Friedrich[–2017] Taufe [9.9.1877]. Die Eindrücke, die [sie] hier empfingen, waren trübe und traurig, im Hause, so sehr schön im Gebirge die Pfarre lag.[ Quelle: Gauhe-Smend-Chronik]

Von da fuhren [sie] nach Eisenach und dann zur Wartburg hinauf, die [sie] alle noch nicht gesehen [hatten], und nun mit besagten Herzen hindurch gingen. von dort kamen wir abends nach Halle, wo [ Bruder bzw. Sohn] Rudolf [Smend] und ...Hedwig [geb. Weymann] als junges verheiratetes Paar wenige Monate vorher hingezogen waren. Am 9. August war die Hochzeit in Münster gewesen. Das Verhältnis von [Hedwig] zu ihren [Schwiegereltern Adelheid und Friedrich Smend] war ganz einzig schön. Ihre Eltern waren schon sehr mit ihnen befreundet.

Herr Appellationsgerichtsrat Weymann gehörte mit zu [Friedrich Smends] theologischem Sonntagskränzchen, und Frau Weymann begegnete [Adelheid Smend] in manchem Verein, in mancher „ Visite“. Herr Weymann etwas steif förmlich, mit klugem Blick, seinem Lächeln und großer musikalischer Begabung. Seine Frau gewann sich aller Herzen durch ihre warme Herzlichkeit, ihren trockenen Humor und sonnige Heiterkeit. Dabei hatte sie ein klares nüchternes Urteil, dass jeder zu schätzen wusste.

Während ..Hedwig [Weymanns] Pensionsjahr erkrankte ihr Vater. [Sie] reiste  früher von Friedrichshafen am Bodensee ab, um der Mutter in der Pflege beizustehen, bis die Erlösung kam, und ...Hedwig dann der ganze Trost [für] ihre Mutter blieb. [Hedwigs] etwas älterer Bruder Leopold [Weymann] war mit Paula [Smend] zusammen bei [Friedrich Smend] konfirmiert, er diente und studierte später Jura in Bonn, ging nach bestandenem Examen in den Eisenbahndienst, lebte als Regierungsrat einsam in Hannover, nachdem er früh schon den Abschied genommen hatte.

Hedwig [Weymann] wohnte damals mit ihrer Mutter am Neuplatz in Münster. Rudolf Smend, der sie schon lange geliebt, bewarb sich um sie, nachdem sie mit großer Seelenstärke ihre schwache Mutter allein in ihrer Todeskrankheit gepflegt und bis zuletzt allein ihr beigestanden hatte, und sie dann ganz allein stand. Sie wurde [Adelheid und Friedrich Smend] eine besonders liebe [Schwieger-]Tochter und [ihrer eigenen Tochter] Mariechen [Smend] eine nahe Freundin und Schwester.

Nun sahen [Adelheid und Friedrich Smend gemeinsam mit ihrer Tochter Luise Torhorst] das liebe glückliche Paar [Hedwig und Rudolf Smend] im eigenen Heim in Halle. Die Kurrende sang am ersten Morgen „ wie schön leuchtet uns der Morgenstern“ und zum Schluss „ an der Saale kühlem Strande“. ...[Sie hatten] besonderer Freude an einem Abendgottesdienst in der Neumarktkirche, wo [sie] den einzigartigen, ehrwürdigen Pastor Hoffmann hörten. ..Erfrischt und dankbar für die vielseitigen Reiseeindrücke [kehrte Luise Torhorst] nach Ledde zurück . [Quelle: Gauhe-Smend-Chronik
 

1878

Am 15. April 1878 wurde in der Nacht von Palmsonntag auf Montag bald nach Mitternacht [Luise Torhorsts] drittes Söhnchen Arnold [–535] geboren. [Seine Großmutter Adelheid Smend] kam nach einigen Tagen, ihn anzusehen, und mit [ihrem Mann Friedrich Smend] am 23. Mai 1878 zu der ganz kleinen, stillen Tauffeier [nach Ledde].

Im Juli reisten [Adelheid und Friedrich Smend], wie gewöhnlich, nach Norderney, und nach schwerer Sorge um [ihren Sohn] Fritz, der seit dem 18. Juni  1878 in Lengerich war, war die Erholung in der Stille besonders nötig. [Seine Frau] Gesine [Hoon –2014] war mit dem kleinen Friedrich indessen im Gildehaus.

[Friedrich Smend] hatte einen weniger guten Winter und [seine Frau Adelheid] Sorge um ihn bei Tag und Nacht. Ostern 1879 kehrten Sohn Fritz und [Schwiegertochter Gesine] mit dem kleinen Friedrich nach Dudenrode zurück. Mit Zittern dachte [die Familie Smend] ihrer. [Quelle: Gauhe-Smend-Chronik]
 

1879

Im Sommer 1879 begleitete [Luise Torhorst ihre Eltern Adelheid und Friedrich Smend] nach Norderney. [Ihr Schwester] Mariechen versorgte in dessen [Luises Tochter] Hanna [damals 4 Jahre alt]. Aus jener Zeit stand das nette Bildchen von ihr im karierten Kleidchen mit zierlichen, von der gütigen Tante besorgten Stiefelchen. Recht erfrischt kehrten [sie] alle heim, ahnungslos, was für ernste, dunkle Zeit mit dem Winter anbrechen würde.

In Halle war [den Eltern Hedwig und Rudolf Smend] am 11. Dezember 1879 die kleine Adelheid  geboren, nach den beiden Großmüttern Weymann und Smend Adelheid genannt.. Zur Taufe im Januar reiste [Rudolfs Schwester] Mariechen nach Halle, wo [Bruder] Julius [Smend] damals studierte. Auf der Reise erkältete sie sich, beachtete den Husten nicht, genoss froh und dankbar die Zeit mit der [Freundin  und Schwägerin] Hedwig und dem goldenen kleinen Nichtchen....Mit [Bruder] Julius  war sie durch die gemeinsamen Interessen, nicht bloß auf musikalischem Gebiete, ganz nahe verbunden. Sie hatten ein Jahr früher schon eine kleine Harzreise zusammen gemacht, waren glückselig am Rhein gewesen, in Bacharach und Oberursel, im Siebengebirge und in Bonn.

Eine Bitte von Direktor J. O. Grimm, doch zur Aufführung der Matthäus Passion rechtzeitig in Münster zu sein, veranlasste schließlich die Abreise. Sie war eine tüchtige Stütze des Chores seit mehreren Jahren und Nun reiste Mariechen [Smend], des Katarrhs nicht achtend, nach Münster zurück, besuchte treulich alle Proben, die ja, wie wir alle wissen, sehr anstrengend sind. Die Freude über das schöne Gelingen ließ sie den Husten gering achten. Aber Ostern 1880 musste sie sich legen. Eben vorher war [der] treue Hausarzt und Freund Dr. Arens gestorben und [Adelheid und Friedrich Smend] und [ihre Tochter]Mariechen, mit Hausmitteln die vermeintliche Erkältung bekämpfend, ließen Wochen vergehen, ehe sie sich entschlossen, den alten Generalarzt Marlitz zu bestellen. Der fand die Lungenspitzen angegriffen, auch Fieber, und verordnete eine Kur in Ems, sobald die liebe Kranke fieberfrei und reisefähig sein werde. Quartier war schon in Ems bestellt, die Reise bestimmt, da kam aufs Neue heftiges Fieber, und alles wurde abgesagt.

Welcher Schmerz das für [Adelheid und Friedrich Smend] war ...! War doch [ihre Tochter] Mariechen das letzte der acht Kinder, das ihnen blieb im Hause und bis dahin wusste man von ihr von keiner Krankheit. Sie war, wenn auch zart, die Gesundeste von [allen Kindern] bis dahin.
 

1880

[Adelheid und Friedrich Smend] mußten wir immer, im Juli 1880 nach Norderney, und [ihre Tochter] Paula blieb solange in Münster zu [Schwester]Mariechens Pflege, weil [Luise Torhorst] in Ledde fest gebunden war.

Es war eine Angst voller Zeit für Paula [Smend], da in jenen Wochen zum ersten Mal einen Blutsturz kam und die Aufregung über den traurigen Tod von August Niemann ihr schädlich war. [Friedrich Smend sagte] als er Frau L.R. Niemann wieder traf, nur die kurzen Worte: „ liebe Schwester, fragen sie nicht: warum? Nur: wozu?!“ und wie der verwandte Onkel Niemann am ersten Sonntag hernach selbst predigte über Matthäus 14,25 - 27.

Sobald die Großeltern zurück waren von der See, brachte [Friedrich Smend] mit [der] alten Rieke Gries, die einige Jahre bei [ihnen] gedient hatte und bereit war, [dessen Tochter] Mariechen zu pflegen diese über Köln, Mainz fahrend nach Soden.

Als Rieke fort musste, kam [Maries Schwägerin] Hedwig [Smend] eine Zeit lang von Basel her, wo die liebe kleine Adelheid ihr und Onkel Rudolf in den ersten Wochen in der neuen Heimat, am 3. Mai 1880, genommen war. Und zuletzt pflegte Laura Lekebusch, die damals noch bei [Adelheids Schwester]Auguste in Barmen lebte, die liebe, geduldige Kranke.

Im Oktober 1880 sah [Luise Torhorst ihre Schwester Marie Smend] in Münster wieder. Inzwischen war ein Ledde [ am 18.8.1880]unser lieber Julius [-686] geboren und auf... ganz besonderen Wunsch [ von Luises Schwester Marie] nach ihrem Lieblings Bruder Julius genannt, was übrigens auch herzlicher Wunsch [von Arnold und Luise Torhorst war]!
 

1881

[Adelheid und Friedrichs Smends Sohn] Fritz [Smend] hatte den ganzen Winter gekränkelt, [seine Brüder Hermann und ...Julius [Smend] fuhren zu ihm. Am 26. März 1881 ..kam die Depesche mit der Todesnachricht von Dudenrode. [Seine Schwester] Mariechen lag noch zu Bett, als [Luise Torhorst]ihr die Depesche brachte. Bald darauf war sie unten und [Luise] hörte sie noch den Bach’schen Satz aus der Matthäus Passion spielen „Was mein Gott will, dass gescheh allzeit“.

Es gab dann in Dudenrode viel Trauriges zu ordnen, für Vater Friedrich Smend viel Bitteres durch zu kämpfen. [Sein Sohn] Hermann [Smend] als Jurist und von Natur besonders praktisch begabt, blieb bei [seiner Schwägerin] Gesine [geb. Hoon] und übernahm alle Fürsorge, nahm [seinem Vater Friedrich] alles ab. Dankbar haben [die] Geschwister das anerkannt, ach, und wir ahnten damals alle nicht, dass neues Leid gerade von ihm [Hermann Smend] auf [ihre Eltern Adelheid und Friedrich Smend] wartete, und mit ihnen auf [deren Tochter] Mariechen, deren letzte Lebenszeit dadurch noch besonders getrübt wurde.

Hermann [Smend-646] war durch alte Schulfreunde, die streng katholisch waren, in die katholisch juristische Verbindung „Carlisten“ eingetreten. So lernte er Dora Brune kennen und verlobte sich heimlich mit ihr. Damals wohnte er bei seinen Eltern [Adelheid und Friedrich Smend] und arbeitete am Landgericht. Man wusste in Münster lange von der Verlobung, ehe [seine Eltern] eine Ahnung von Theodora Brune hatten.. [Hermanns Schwester] Mariechen kannte sie als hübsches, gewandtes, aber streng katholisches junges Mädchen aus dem Gesangverein. Sie hat bis zum Tode ihren ganzen Einfluss aufgeboten, um Hermann vor der Verlobung zu warnen, und, um der alten Eltern willen, von der unheilvollen Verbindung zu lassen. Es war umsonst.

An Himmelfahrt Tag 1881 predigte [Friedrich Smend] in Ledde über Lukas 24,50-53. Mathilde Stoltenius war bei [bei den Torhorsts]und nahm [den] kleinen Hermann  [Torhorst-14], damals viereinhalb Jahre alt] mit in die Kirche. [Die Eltern Torhorst] wünschten sehnlichst, dass er einen Eindruck von [seinem] Großpapa im Talar auf der Ledder Kanzel behalten möchte. ..Allen blieb der Tag und die kostbare Predigt unvergeßlich.

[Friedrich Smend] hatte [seine Tochter] Mariechen auf dem Weg nach Ledde zu [seiner Tochter bzw. ihrer Schwester] Paula nach Leeden gebracht, wohin [Luise Torhorst] am Tag nach Himmelfahrt ging, um sie zu sehen 

Tochter Marie Smend geht es immer schlechter, sie fährt mit Luise Torhorst nach Bad Soden:

[Luises Schwester] Paula wurde in Soden von [Bruder] Julius abgelöst, der Anfang September [seine Schwester] Mariechen nach Münster zurückgeleitete. Die Schwäche nahm dort sehr schnell zu, aber [die ganze Familie] waren mit ihr dankbar, dass sie daheim sein durfte, von der zartesten, treuesten Liebe umgeben. Oft waren [die Schwestern] Paula und [Luise] bei ihr, zuletzt fuhren [sie] am 8. Oktober auf ein Telegramm hin nach Münster. Es war Samstag. Schwester Clara und Schwester Johanna aus dem Krankenhaus hatten nachts abwechselnd gewacht. [Ihre Schwester] Mariechen sah mit vollem Bewusstsein das Ende kommen, bat, dass wir alle kommen möchten. Der teure [Vater Friedrich Smend] nahm sie in seinen Arm und sagte ihr christliche Trostworte..Und alle grüßte sie mit ihren lieben Augen der Reihe nach. Ihr letztes vornehmliches Wort war: „ Papa, kannst du mich auch noch halten?“ Dann kam die ... in der frühen Morgenstunde des Sonntags ( 9. Oktober).

In der Kirche sang man den Vers „Was ich strahlen sah am Thron, ist es nicht die Siegerkrone? Was von jenen Höhn ich höre..usw.“ Viele kamen hernach zur Familie Smend, hatten sich [über das Lied] gefreut im Andenken an ..Mariechen [Smend]

Am 12. Oktober hielt [Vater Friedrich Smend] mit [der Familie] eine kleine Gedächtnisfeier an ihrem Sarge und sprach von ihrem ritterlichen Ringen und Stillesein. [Pastor]Niemann, der sie konfirmiert hatte, hielt die kurze Rede voll Wärme.

[Adelheid und Friedrichs Smends Sohn] Herrmann hatte ein Fußleiden bekommen, konnte [am 12.10.1881] nicht mitgehen nach dem Mauritzer Friedhof [zur Beerdigung von Schwester Marie], musste mehrere Monate bei den ..Eltern in Münster bleiben, die im Stillen hofften, er habe sich von seiner Braut gelöst. Im Winter ging er nach Berlin.
 

1882

Anfang Juli 1882 [reiste Luise Torhorst] mit ihren Eltern nach Norderney ... Es war [Friedrich Smends] letzte Reise dorthin, wo er 21 mal so reiche Erfrischung und Freude mit [seiner Frau Adelheid] gefunden hatte. Wehmütig war es,  wie schwer ihm das Gehen wurde, wie er, der sonst so gerne am Strand wanderte, nun still im Strandkorb saß und den kleinsten Weg scheute, wie die alte Heiterkeit dahin war. Wie angstvoll sah [seine Frau Adelheid] ihn an, wie sprach sie [ihrer Tochter Luise] ihre Sorge aus, wie suchte sie ihn auf zumuntern und zu erheitern, was sonst mehr seine Aufgabe an ihr war. Der Abschied von der Insel war ganz wehmütig. Die alten Heinrichs, bei denen [sie] fast immer gewohnt hatten, standen weinend in der Tür und winkten dem Wagen nach. Und [Friedrich Smend] sagte selbst: „Das ist das letzte Mal!“. Er hatte aber wirklich sich ein wenig gekräftigt.

Und als er in Münster die Akten durchgesehen hatte, machte er sich auf den dringenden Rat seiner Freunde und des Arztes, auf die anhaltende Bitte [seines Sohnes] Rudolf und seiner Schwiegertochter] Hedwig, die damals in Basel waren, noch einmal auf die Reise, und die beiden Alten besahen nicht nur ihre lieben Kinder, sondern auch den prächtigen kleinen Enkel Rudi [Smend –1299, geboren 15.1.1882], und von Basel aus die Schweizer Berge zum ersten und letzten Mal.

Von Bonn aus begleitete sie [ihr Sohn] Julius und war ihr getreuer Reisemarschall. Wie erfreute sie das schöne Basel, der Gottesdienst in Münster mit mehrstimmigem Gemeindegesang, der fürtrefflichen Predigt des Antistes Starkemeyer und die weihevolle Abendmahlsfeier! Wie wohl war es ihnen bei ihren Kindern, wie genossen sie die Fahrt nach Luzern und über den See bis Flüelen, obgleich es regnete und die Aussicht nicht gut war. [Wahrscheinlich fuhren] sie auf dem Heimweg mit [Sohn] Julius über Heidelberg nach Bärhalden(?), blieben zwei Tage in Bonn, lernten Frau Post kennen, sahen Oberkassel, wo sie Spitta verfehlten und kehrten dankbar nach Münster zurück.

Aber [Friedrich Smend] hatte sich unterwegs eine Erkältung zugezogen, der Hals schmerzte, und als der Winter kam, verschlimmerte sich der Husten, und das Schlucken wurde erschwert von Woche zu Woche.
 

1883

Die Kur, die [Luise Torhorst] in Bonn durch machen sollte, ließ sich zu [ihrer] Freude in Münster ausführen. So konnte ich bei den Eltern sein, und durfte in der Morgenzeit still auf dem Sofa in [Vaters] Studierzimmer liegen, während er in seinem Sessel saß. Wohl sah [sie] die Abnahme seiner Kräfte, all das Ungemach der schweren Krankheit, alle die Not, die das Halsübel brachte, aber sein lichtvolles, friedliches Angesicht bleibt [ihr]unvergessen. Mit [ihrer Mutter Adelheid] konnte [sie] alle Sorge offen aussprechen, und wie gut, dass [sie] in Münster sein musste, um selbst gesund zu werden. [Sie] hätte sonst diese Zeit nicht gehabt.

Vor Ostern konnte [Luise Torhorst] nach Ledde zurückkehren, wo am 1. April Helene Klostermann fortgehen sollte nach zweijähriger treuer Hilfe, aber .. blieb,, bis am 1. Juni Clementine Herbert an ihre Stelle trat.

Anfang Mai  1883 trat in [Friedrich Smends] Befinden eine sichtliche Verschlimmerung ein. [Die] Kinder fanden [sich] alle bei ihm zusammen und suchten [sich] in den Gedanken zu finden, dass [sie] den geliebten Vater verlieren würden und ohne ihn weiter leben müssten. [Sohn] Hermann hatte damals eine Kur ... nötig, aber vorher [des Vaters] Einwilligung zur Verlobung gebeten, die ihm auch gewährt wurde unter der Voraussetzung einer ganz evangelischem Ehe. Dagegen fühlte sich [Friedrich Smend]  zu schwach, Hermanns Braut zu empfangen.

Was [die] Kinder in jenen Wochen erlebten, was [sie] von [ihrem] teuren Vater hörten an Worten der Liebe, der Mahnung, [ist aufgeschrieben] Unvergeßlich ist uns allen die gemeinsame Abendmahlsfeier, zu der [Friedrich Smends Bruder] Julius Smend aus Burgsteinfurt kam, der Friedrich Smend besonders nahe stand.

Tapfer und stark ging [Adelheid Smend] in ihrem tiefen Schmerz einher. [Die Kinder] wechselten Tag und Nacht im Wachen, dass immer zwei Kinder bei [ihrem Vater] waren. [Die Schwiegersöhne Arnold Torhorst] von Ledde und Florens [ aus Leeden] kamen öfter, und [Tochter] Paula und [Luise Torhorst] kamen abwechselnd mal in Leeden und Ledde nach dem Hause und den Kindern. [Ihre] Männer ließen [sie] treulich in Münster, wo jetzt [ihr] Platz war. Wie sehnlich wartete [Friedrich Smend] auf die Erlösung, durch welche Tiefen musste er hindurch, bis am Johannistag, am 24. Juni 1883 in der Sonntagsfrühe seine geliebte Seele heimgehen durfte.

 

Luise Torhorst wörtlich in ihrer Chronik:

„Ist jemals ein Vater so geliebt worden? Ich glaube es nicht. Gott lasse uns ihn wieder sehen. Oft habe ich gedacht, dass nach seinem Scheiden die liebe Großmama erst bei uns allen zu ihrem vollen recht gekommen ist. Sie hat es gewiss oft empfunden, dass Großpapa immer im Vordergrund aller Liebe und Sorge stand, aber sie sollte bei uns allen noch zu ihrem vollen Recht kommen.“

Weiter in der [ja überarbeiteten Fassung der] Gauhe-Smend-Chronik :

[Friedrich Smend] hatte den Wunsch geäußert, dass er gern in Lengerich bestattet sein möchte und dass an seinen Sarge nur das Lied verlesen werden dürfe: „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“. Seine Kollegen hätten ihm wohl gern ein Wort warmen Dankes, herzliche Liebe nachgerufen. Am 27. Juni 1883 vormittags war die stille kurze Feier in seinem Studierzimmer. Die Söhne und Neffen, Kollegen und Freunde fuhren mit nach Lengerich, wo Friedrich Rietbrack (?) für alles aufs Treueste gesorgt hatte. Der Sarg wurde in die Kirche gebracht, wo in drei Generationen die Smends in Treue gepredigt hatten, vielen zum Segen. Hier sprach der Superintendent Kobmann, nach ihm Pastor Röttger, [Friedrich Smends] früherer Kollege, dann folgte ein unabsehbarer Trauerzug dem Sarge auf den schönen, in herrlicher Rosenpracht prangenden Friedhof. Nach der letzten kurzen Feier versammelten sich alle Verwandten und Freunde in ... alten Pfarrhause, wo Friedrich Rietbrack in der großen Stube nach dem Garten hin, in welcher so lange, lange Jahre hindurch die alten Ahnenbilder [die Familie] gegrüßt hatten, für Erfrischung und ein trauchliches Beisammensein gesorgt. Das sei ihm unvergessen.
 

42G


[Tochter Paula und Tochter Luise] wären so gern mit nach Lengerich gefahren, aber [ihre Mutter Adelheid Smend] hatte keinen Mut, keine Kraft für die Fahrt und Feier. So blieben [sie] bei ihr, machten nur einen stillen Weg mit ihr nach Mauritz hinaus an [Tochter]Mariechens Grab.

[Die] Kinder mussten nach den langen, fast ununterbrochen in Münster verlebten Wochen jeder wieder in das Seine, alle fühlten[sich]ärmer und doch dankbar für alles, was [ihr Vater] ihnen bis jetzt gewesen war, und eins in dem Wunsch, der teuren, einsamen [Mutter Adelheid] nun doppelte Liebe und Treue zu erweisen.

Tochter Paula und Tochter Luise fuhren oft zu ihr, Schwester Auguste und Nichte Clara aus Barmen besuchten sie im Juli, kamen auch für einen Tag nach Ledde [zu den Torhorsts], [Pastor] Bägelmann, der zu uns reiste, vor auch mit [Luise] nach Münster, und Ende Juli kann [Adelheid Smend] zur Erholung zu [den Torhorsts nach Ledde]. Da hatten [sie] eine schöne friedliche Zeit, und die Freude an den fünf Enkelkindern lenkte sie ein wenig ab. Sehr schwer für sie war dann das Zusammenleben mit [Sohn]Hermann, der die liebenswürdige, aber immerhin fremdartige Braut gern möglichst oft zu [seiner Mutter] brachte. Mit großer Treue trug sie auch dies, und in stillen Stunden fing sie damals an, das Leben [ihres Mannes] ..aufzuschreiben.

Im Winter bewarb sich [der Sohn von Friedrich Smends Bruder Hermann Rudolf, Oswald [Smend-2003] in Barmen um [Adelheids verwitwte Schwiegertochter] Gesine [Hoon], die nach dem Tode [ihres Mannes] Fritz zu ihrer Mutter nach Gildehaus gezogen war mit ihren Söhnen Friedrich und Hans.

Im März lud [Adelheid Smends Schwester] Auguste [Lekebusch] Luise Torhorst ein, Gesine [Smend] nach Barmen zu begleiten, damit diese Oswalds Kinder und Haus sehen und kennen lernen möchte. Da kam es zum Verlöbnis, worüber sich Oswalds Mutter Adelheid herzlich freute.

[Luise] konnte nur selten nach [Mutter Adelheid] sehen, aber [[ihr Mann, Arnoild Torhorst], der auf [Friedrich Smends] dringenden Wunsch die Verwaltung des Vermögens und die Fürsorge für [Adelheid] übernommen hatte, da [Sohn]Rudolf von Basel aus das zu schwer machen konnte, sah oft nach ihr. Die liebe Großmama (Johanna Christina Torhorst, geborene Banning]) in Kappeln weil er kurz vorher, am 31.3.1883 nach kurzen Leiden heimgegangen, und die häufigen Fahrten und Wege dahin hatten für uns aufgehört.
 

1884

Es folgte ein stiller Winter für ...alle. [Mutter Adelheids Sohn] Hermann war durch das Assessorexamen gefallen, und sein körperliches befinden machte uns allen Rechte Sorge. Der Verkehr mit Brunes brachte manche peinliche Aufgabe, die [Adelheid Smend] mit Treue, Takt und Vorsicht löste. Die Basler hatten Theodora Brune freundlich zu sich eingeladen, auch nach Leeden und Ledde kam sie. Vor ...Hermanns Examen hatte sie einen Bittgang zur wundertätigen Maria nach Telgte gemacht, und neben allen ihren religiösen Pflichten, die sie streng erfüllte, konnte sie mit leichter Handarbeit und liebenswürdigem Plaudern bei Großmama sitzen, die dann in eine fremde Welt versetzt worden.
 

1885

[Adelheid Smend] hatte im Somme einige stille Wochen in Leeden und in Ledde zugebracht, ihr zur Erholung, [der Familie] zur großen Freude, und Ende September siedelte Klementine Herbert, die zweieinhalb Jahre lang [der fünffachen Mutter Luise Torhorst] treulich beigestanden hatte, zu ihr nach Münster über, um fortan bis zu ihrem Heimgang ihre Pflegerin, Gesellschafterin und Gehilfin zu sein. Ihr heiterer Sinn und praktische Begabung war gerade das, was nottat.

Der Haushalt in Münster war eigentlich für die Verhältnisse zu kostspielig, aber so oft auch von einem Übersiedeln nach Lengerich oder Tecklenburg oder in eine kleinere Wohnung in Münster die Rede war, der Abschied aus den traulichen kleinen Häuschen mit dem reizenden wohl gepflegte Garten, in der freundlichen Lage wäre für [Adelheid Smend] zu schwer geworden, und sie hätte [nicht ihre Familie] so oft um sich versammeln können, wie es doch ihre besondere Freude war. Der braune Hektor, ein schwarzweißer, langhaariger Jagdhund, beschützte das Häuschen, das durch Schellenleitung mit der gegenüberliegenden Wohnung des braven Bahnwärters Gierse verbunden war, und begleitete sie auf ihren immer kürzer werdenden Spaziergängen.

[Adelheid Gauhe] neigte zur Korpulenz, und die geringe Bewegung im Hause und draußen vermehrte dieselbe. [Friedrich Smend] hatte sie in seiner zärtlichen Liebe zu sehr verwöhnt. Er selbst brachte ihr jeden Morgen die Kaffeetasse ans Bett, bestand darauf, dass sie zum zweiten Frühstück ein Gläschen Bier, mittags Rotwein trank usw. und der schwache Dr. Lindemann, dem [die] Kinder [ihre] Bedenken später zuweilen äußerten, meinte, es sei besser, im Alter bei alter Gewohnheit zu bleiben. Und wie erschwerte dies Leiden immer mehr ... jegliche Bewegung des schweren Körpers, die geliebten Wege zur Kirche wurden ihr sauer, so treue sie allsonntäglich daran festhielt.
 

1886

Im Sommer 1886 fuhren [Schwiegersohn]Florens, [Tochter]Paula, [Sohn] Julius aus Seelscheid, [Neffe?] Julius aus Steinfurth und Luise Torhorst mit [Adelheid Smend] nach den lieben alten Norderney, wo wir vier Jahre zuvor mit Großpapa zuletzt gewesen. wir wohnten dicht beisammen und hatten eine ganz wunderschöne, friedliche Zeit zusammen. Ein gutes Bild von ihr wurde kurz vor der Abreise gemacht. [Sie] fuhren über Bremen zurück...logierten im Hotel de l’Europe, besuchten Pastor Bagelmann und Tante Bertha  Klugrist (?) und leise Fäden knüpft sich zudem engen Verhältnis, in das [Neffe?] Julius später zu Onkel Bagelmann treten sollte. Dankbar und erfrischt kehrten wir alle heim. Ach, [Adelheid Smend] ahnte nicht, was für ein schweres Jahr auf sie wartete.

[Adelheid Smends Sohn] Herrmann hatte im Herbst zum zweiten Mal Unglück in Examen und konnte es nicht noch einmal machen. So trat er als Referendar in eine Feuerversicherungsgesellschaft in Mönchengladbach ein, arbeitete zunächst auf dem Büro des Direktors Klug. Körperlich ging es ihm nicht gut. Er hatte aus der schweren Gelenkentzündung ... ein sehr schmerzhaftes Knieleiden behalten, so dass das Gehen ihm sehr sauer wurde. ...
 

1887

Im Jahr 1887 stand vor allem das Schicksal von Adelheid Smends Sohn Hermann im Vordergrund.
 

1888

Die liebe Großmama hatte im Ganzen einen friedlichen Winter, auch das Jahr 1888 war verhältnismäßig leicht ...

Ostern 1888 am 7. April wurde in Leeden Oswald [Smend –2013, der Sohn von Paula und Florens Smend] geboren und [seine Großmutter Adelheid] kam zu der einzig schönen Tauffeier... Im Juli kam sie für vier Wochen zu [Torhorsts] nach Ledde, und [sie]hatten die Freude, dass [Sohn bzw. Bruder] Julius von Seelscheid aus acht Tage mit ihr zugleich bei [Torhorsts] sein konnte.

Das große Schlafzimmer nach dem Garten hin [Adelheid] besonders lieb. Da Stand der bequeme Lehnstuhl von [Arnolds Mutter] Torhorst im Fenster am kleinen Tisch, auf denen sie ihre Lieblingsbücher: Bibel, Gesangbuch, Zellers „Lieder des Reichs“ und wohl einen Band von Reden Jesu oder den Hebräerbrief fand und im Sessel sitzend  ganz sinnend in den Garten hinaus sah, sich am Spiel der Kinder freuend, häufig strickend oder ...ein Schiebespiel machend, was sie sehr liebte. Für Blumenpracht und Duft hatte sie merkwürdig wenig Sinn. Etwas Strenges hatte ihr Wesen gegen die kleinen Enkel und Enkelinnen. Sie hat sie niemals verwöhnt. Für jeden kleinen Fehler hatte sie einen scharfen Blick und bat die Eltern immer wieder, darauf zu achten und nichts zu übersehen.

Am 28. Dezember wurde [das] kleines Mariechen (Marie Torhorst- 688) geboren.


1889

[Adelheid Smend] aber sah das jüngste Enkelkind erst, als sie im Sommer  1889 wieder für längere Besuch zu [Torhorsts] kam, da sie wegen einer Operation verreisen mußte.

Am 18. Juli 1889 war Adelheid Smends [71.] Geburtstag. [Sohn] Rudolf und [Schwiegertochter Hedwig] überraschen sie mit einem behaglichen Morgenrock, einem kleinen Spiel, und da kein Fieber kam, konnten sie recht dankbar sein. Ende des Monats reiste [Luise] ab, und Klementine trat an [ihre]Stelle, [Adelheid Smend] konnte zu den lieben Verwandten zurückkehren und wurde von ihnen bis zur Abreise nach Münster treulichst verpflegt.

Wie innerlich stark, voll Frieden und festem Gottvertrauen sie war haben ...alle erst in jener Zeit erkannt. Alle ihre Kinder kamen nach und nach nach Münster, sie wiederzusehen, sich mit ihr der überstandenen Not und Gefahr dankbar zu freuen... Alle fanden sie doch müde und matter als im letzten Jahr, aber ihr warmes Interesse, ihre Fürsorge für ihre Kinder bei unverändert. Im Ganzen hatte sie unter Klementine’s Pflege auch einen guten Winter.
 

1890

Anfang März 1880 wurde in Barmen Klara Krieges Hochzeit gefeiert, .. Paula [Smend aus Leeden] dazu eingeladen und als [Adelheid Smends] Stellvertreterin auch [Luise Torhorst]. [Sie] trafen dort [ihren Bruder]Julius aus Seelscheid kommend, blieben auf dem Rückweg bei [Adelheid Smend] einen Tag, um ihr von allem genau zu erzählen. Sie war sehr bewegt durch den Tod des alten [Herrn] Grüter in Münster, sah auch voraus, dass [Frau] Grüter, dir doch die nächste und liebste Freundin war, nun nicht in Münster bleiben werde, und es war ein schwerer Verlust, als diese bald darauf wirklich nach Hannover in das Haus ihrer Schwägerin zog.

Auch der Herbst und Winter war für [Adelheid Smend] ziemlich leicht. Die Vereine hatte sie nach und nach aufgegeben, strickte nun fleißig nicht nur für die Enkel, auch für die Anstalten in Bielefeld und Gleidorf, und die Missionsarbeit lag ihr alle Zeit ganz besonders am Herzen. [Sehr nahe stand] sie dem Missionsinspektor „[Wihelm von Rhoden“ und seinen Töchtern. Nach seinem Tode kam Hedwig von Rhoden, die mit [Adelheids Tochter] Mariechen sehr befreundet gewesen war, öfter zu ihr nach Münster, und als diese sich nach langem Kampf entschloss, als zweite Frau von Missionar Irle nach Südwestafrika zu gehen, blieb sie mit ihr in stetem Briefwechsel, und Otjisazu lag ihr von allen Stationen am meisten im Sinn. [Hedwig Irle schrieb später auch über ihre Arbeit]. Der kleine Missions-Atlas lag immer in erreichbarer Nähe, und nach dem Bericht der Rheinischen Mission und dem Missions-Blättern suchte sie treulich die genannten Nationen auf und hielt sie in gutem Gedächtnis.
 

1891

In die Kirche fuhr sie von jetzt an mit Klementine, und der benachbarte ... Bauning, dem sie mit Frau und zahllosen Kindern im Stillen manche Wohltat erzeigte, brachte sie in seinem bescheidenen Einspänner manches Mal hin und her. War das Wetter bedenklich, dann las sie am liebsten mit Klementine Hoffmanns Predigten „Unter dem Kreuz“. Und in der Passionzeit „von Tabor nach Golgatha“ von Wagner Groben. Die Kölnische Zeitung las sie mit den „jungen“ Wiesmanns, daneben die kirchlichen Blätter und Zeitschriften. Sie war eine sehr treue Korrespondentin. Fast jede Woche bekamen alle Kinder Brief oder Karte von ihr, bis zuletzt sorgfältig mit zierlich feiner Handschrift geschrieben, erwartete aber auch jede Woche, am liebsten zum Sonntag, Nachricht von all den ihren draußen.

Seit [Adelheids Sohn] Rudolf wieder in Deutschland war, hatte er zu [Arnold Torhorsts] Beruhigung die Verwaltung von [Adelheid Smends] Vermögen gänzlich übernommen, aber das alte Vertrauensverhältnis blieb bestehen zwischen Arnold Torhorst und ihr. [Sohn] Rudolf war auch besonders derjenige, der sie mit Büchern versorgte. Durch ihn war ihr Hoffmann lieb geworden, und der kleine Band Gedichte von Albert Zelters „Lieder des Leids“, die sie immer in ihrem Strickkörbchen bei sich behielt. Auch „En poa blomen ut nne Marik Schulten ehren Goren“, das kleine plattdeutsche Gedichtbuch, liebte sie sehr, von anderen Schriften las sie jedes Jahr einmal „Tante Sarah“ und sagte oft, dass sie immer neue Freude daran habe.

Gutmütigkeit wird auch ausgenutzt:

      ...Sie hatte ein so warmes Herz für alle Not, für alles ihr Land, aber sie half immer mit nüchternem Sinn und ihr praktischer Blick hat sie selten getäuscht. Deshalb war ihr Rat und ihre Hilfe in den Vereinen, besonders im Frauenverein und Näherinnenverein, wo sie Großes geleistet hat, immer so erwünscht gewesen. Da schellte eines Abends gegen 9:00 Uhr noch ein Handwerksbursche. Klementine öffnet und sagt, Frau Rätin könne niemand mehr sehen, er möge den anderen Morgen wieder kommen. Als er dann sich meldet, lässt [Adelheid Smend] ihn ins Zimmer treten, fragt ihn nach seinem Handwerk, nach dem vorher und wohin, und als sie hört, dass er Vater, aber ohne Arbeit sei, sehnlich danach verlange, in Holland sein Heil versuchen wolle, denkt sie an die Weberin von Hoon’s in Gildehaus, lässt den Handwerksburschen sich setzen, schreibt flugs eine Empfehlung an den Fabrikanten, überschlägt, da er anständig aussieht, wie viel Reisegeld er bedürfe, lässt durch Klementine ihm ein Butterbrot bringen, und händigt ihm Geld und Brief mit guten Wünschen ein. Als der junge Mann aufsteht, fragt er auf das Klavier deutend: „Darf ich ihnen zum Dank einen Choral spielen?“. [Adelheid Smend] ist ganz verblüfft, fragt dann, wo er spielen gelernt. Er sei aus Berlin, habe dort  Gelegenheit gefunden. Was der Vater sein? O, der schreibt für andere. Dann setzt er sich und spielt „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ und geht dankend fort.

      Nicht lange hernach wird [Adelheid Smend] ein Buch geschickt, worin ein junger Theologe Wangemann, Sohn des Missionsinspektors Wangemann in Berlin seine Erlebnisse als reisender Handwerksbursche schildert, die er zu seiner Information im Auftrag der Inneren Mission unternommen. Er erzählt dann, wie er die leichtgläubige Frau Rätin S. in M. habe hinters Licht geführt.- Das war [Adelheid Smend]sehr bitter und von dem jungen Mann nicht fein. Wie soll man Armen helfen, wenn nicht auf solche Weise? Damals war von Bodelschwinghs Methode noch nicht ein- und durchgeführt.

[Adelheid Smends] Stellung zu Musik..: Als Kind hatte sie kurze Zeit Klavierstunden gehabt, aber bald wieder aufgeben müssen, da sie keine Lust zum Üben und keine besondere Begabung zeigte. Immer hat sie es bedauert, dass sie nicht angehalten worden war, wenigstens Choräle spielen zu lernen. An Gehör mangelte es nicht. Sicher und richtig sang sie die zweite und Stimmen zu ...Kinderliedern und sonntags in der Kirche, aber sie macht keinen Hehl daraus, dass ihr das Üben der Kinder und Pflegetöchter nicht nur eine Pein, sondern auch in etwa unnötig erschien.

Gern gab sie ihre Zustimmung dazu, dass [Tochter] Paula und später [Tochter] Mariechen in den Gesangverein eintraten, aber am Mittwoch mussten [ihre Kinder] regelmäßig vorher in den Abendgottesdienst gehen, kamen dann wieder zu spät in die Probe und der an großer Pünktlichkeit gewöhnten [Adelheid Smend] war es äußerst fatal, dass... Tee und Butterbrot noch nach 9:00 Uhr bereitstehen mussten, sowohl am Mittag wie am Samstagabend in der Winterzeit und [die Kinder] legten [sich] dann jedes Mal mit nicht freien, sondern oft recht bedrücktem Gemüt zur Ruhe. Große Freude machte es ihr aber jederzeit, und wenn [Tochter] Paula allein sang oder mit [Tochter Luise] zweistimmige Lieder.

Und wie hat sie das schöne Spiel von [Sohn] Julius, dass Orgelspiel von [Sohn] Wilhelm genossen, besonders, wenn die Orgel des letzteren an die Tür des Wohnzimmers gerückt wurde und die Brüder dann die Matthäuspassion in einzelnen Stücken ... zu Gehör brachten, Julius die Chorstimmen, Wilhelm die Begleitung spielend. Dann liebte sie sehr den Trauermarsch aus „Samson“, für den sie jedes Mal eine Mark mit Freuden opferte, und wie freute sie sich an dem Mendelsohn’schen Chor „Siehe der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht“. Wie oft haben die Worte sie getröstet in Schlaflosen Stunden und bangen Nächten.

 

[Tochter] Paula und [Luise]  wohnten ihr am nächsten, und so oft [sie] konnten, fuhren [sie] zu ihr. Vor dem [deren] Kommen in der Adventszeit zu den vielen Weihnachtsbesorgungen hatte sie wohl etwas mehr Scheu... [Es] fand das einfache Mahl statt. Um Rudolf und Julius der von Seelscheid als Professor an das Predigerseminar in Friedberg berufen war, [Schiwegersohn] Florens und [seine Frau, Tochter ]Paula, Emilie Osterley mit den Schwestern Mariechen und Clara nahmen teil. Es war eine schlichte, stille Feier. Über Berlin reiste das liebe junge Paar der neuen fernen Heimat entgegen...

1892

Der Winter 1891-1892 brachte..manchen Abschied, mancherlei Sorge vor allem war es des treuen [Schwiegersohns] Florens schwere Krankheit, die...alle bewegte und besorgt machte.

[Arnold und Luise Torhorsts Tochter] Hanna war nach Göttingen gefahren für ein Pensionsjahr. Karl Worste (?) aus Hagen für ein Vierteljahr [nach Ledde] gekommen zur Erholung, Friedrich [Torhorst] mußte Osnabrück verlassen, blieb bis Ostern ..in Ledde und kam dann in das Johanneum nach Moers, Hermann nach Gütersloh, Arnold nach Schulpforta.

Alles erlebte und trug [Adelheid Smend] mit [ihren Kindern], und ihr Andenken war [ihnen] teuer wert. Im Juni 1892 kam sie, von Klementine geleitet, zur Sommerfrische wieder zu den [Torhorsts], bezog ihr liebes Gartenzimmer, und erholte sich in der Stille und frischen Landluft. Die lieben Leedischen kamen manches Mal, ..., und Frau Bögner sah gerne herein, wie das treue Minchen Lenzing nicht minder. Im Oktober 1892 war dann in Münster die Hochzeit [von Sohn Wilhelm und Johanna Overlach], während welcher Herr Beinicke Haus und Kinder in Ledde beschützte.

Nun hatte [Adelheid Smend] alle ihre Kinder versorgt und sprach oft mit Sehnsucht von ihrem Scheiden. Es war still geworden um sie, die alten Freunde waren gestorben oder fort gezogen. Das Gehen wurde ihr immer schwerer, und Sonntags fuhr Brünings, ... sie zuweilen mit Klementinchen zur Kirche. Frau Meimann, Frau Hammerschmidt, die treue Emma Overweg besuchten sie gern, aber meist war sie am Tage in ihrem Sesselchen am Nähtischfenster des behaglichen Wohnzimmers, strickend für Kinder und Enkel oder für die Anstalten in Gleidorf und Bethel. Waren die Hände müde schob sie die 15 Steine des kleinen Geduldsspiels, bis sie sie in die richtige Reihenfolge gebracht waren, .... Gegen Abend las Klementine ihr vor und dann wurde oft das allbeliebte Domino geholt und zu Gustav-Adolf Bestem ein Spielchen gemacht, bis der Abend Segen um 9 1/2 Uhr gelesen wurde.

Um Weihnachten 1892 machte sich die alte Krankheit erneut bemerkbar.


1893

So ging der Frühling hin unter steter Sorge [der Kinder] für die treue Mama. Sie wollte nicht gern wieder nach Göttingen zu der sich als nötig herausstellen Operation, diese auch nicht im Krankenhaus in Münster vornehmen lassen, sondern in den eigenen Räumen, weil sie hernach wieder gleich in ihr „geliebtes Eckchen“ des Schlafzimmers gebracht werden konnte, wo [ihr Mann Friedrich Smend] gestorben war, wo sie seit seinem Heimgang schlief. ...Auch diesmal gelang die Operation ohne sie besonders angegriffen zu haben, aber sie konnte sich trotz der sorgfältigsten Pflege und Fürsorge nicht erholen. Klementine sorgte aufs Beste; zu erst blieb [Luise Torhorst] in Münster, dann löste [Tochter] Paula [sie] ab, und oft sahen [die] Schwestern durch die nächsten Monate nach ihr. Der Arzt wünschte dringend eine Luftveränderung. So reiste [Adelheid Smend] Anfang August 1893 nach Leeden, während Klementine zu Verwandten an den Rhein ging. [Tochter] Paula hatte das eigene Schlafzimmer und ausgeräumt, um [ihrer Mutter] die Treppe zu ersparen. Leni schlief bei ihr, damit sie nachts nicht allein sei, aber die erhoffte Stärkung blieb aus.

Ein Erkältung trat hinzu, vermehrte die Schwäche, sie erlebte [Tochter] Paulas Geburtstag noch mit, und am 23. August 1893 brachte [Schwiegersohn] Florens sie nach Ledde [zu den Torhorsts]. Mit [Arnold Torhorst] hob er die sie aus dem Wagen und brachte sie ins Esszimmer.

Luise Torhorst schildert die nächsten Wochen in ihrem (wegen der persönlichen Schilderung hier wortwörtlich übernommenen Bericht) so:

„Nie vergesse ich, wie sie mich bat, gleich einmal in unsere Veranda zu dürfen, wo sie so gerne gesessen, aber es förstelte sie, und wir brachten sie gleich zu Bett in unserem Schlafzimmer nach dem Garten. Der Bronchialkatarrh wurde schlimmer, so dass [sie] nicht wieder aufstehen durfte. Nur, während das Bett gemacht wurde, saß sie gern für ein Stündchen im Sessel am Fenster mit dem ihr so lieben Blick auf die Ledder Kirche. Eine große Beruhigung und Freude war es uns, dass Dr. Krummacher alle Tage, mit seltenen Ausnahmen, herunter [von Tecklenburg]nach Ledde] kam. Sie mochte sein Wesen gern, und er hatte bei aller Energie doch eine so freundlich respektvolle, eingehende Art, die ihr wohltat und großes Vertrauen einflößte. Er verbot gleich jeglichen Wein, den sie ja öfter zur Stärkung und zum Schlaf genommen hatte, bei den Mahlzeiten und besonders beim Schlafen gehen. Das wurde ihr nicht leicht, aber tapfer schickte sie sich auch darein. Der Arzt hoffte dadurch günstig auf das schwache Herz einzuwirken. Solange es ging, pflegte ich die teure Großmama allein“.

Weiter in der [überarbeiteten] Gauhe-Smend-Chronik

[Luises Sohn] Friedrich [Torhorst], der den Sommer über in Lippspringe und zuletzt in Norderney gewesen war, hatte sich auf der Heimreise erkältet, und kam fieberkrank heim. Ihm hatte [Luise] das Zimmer vorn rechts an der Haustür eingerichtet. Unser Esszimmer wurde nur als Vorstube für [Adelheid Smends] Krankenzimmer angesehen, so lebten und wohnten die Kinder alle im Wohnzimmer links an der Haustür, und es war ein Glück, dass [Arnold Torhorst]oben im Giebel sei seine ruhige Studierstube hatte.

[Luise musste dann aber Klementine bitten, zu [Mutter Adelheids]Pflege wieder zu kommen, und sie half [Luise] dann, schlief bei der Großmama, und ihre Frische tat .. allen wohl. Von Woche zu Woche hofften wir auf Besserung. Und als der Oktober kam mit den kalten Winden, dachte [Adelheid Smend] sehnsüchtig an die ihr behaglich warmes Stadthaus, an ihre stilles Schlafzimmer, ihr eigenes behagliches Bett. [Die Familie] überlegte allen Ernstes, ob sie nicht einen Landauer nehmen könnten, ihn mit Betten herrichten, damit sie über Ibbenbüren, Greven nach Münster gebracht würde, was ihr sehnlicher Wunsch war. Aber Dr. Krummacher schüttelte den Kopf, hielt den Transport für gefährlich und unausführbar, und in feiner, zarter Art brachte er [Adelheid Smend] von dem Gedanken ab und ganz darüber zur Ruhe. Es zeigte sich Wasser in den Füßen und Beinen. Die Schwäche wurde größer und von Bielefeld eine Schwester zur Pflege bestellt, da Friedrich ja gleichzeitig lag und [Adelheid]  einer fachkundigen Hand bedurfte. Die ..Leedischen [Florens und Paula Smend] kamen oft, halfen, wo sie konnten, und [Adelheid]freute sich, dass, nachdem die Straßburger mit den Kindern noch im September im Lande gewesen waren, und oft nach ihr sahen, auch die Göttinger herbeieilten, in Leeden logierten, aber öfter in Ledde herein schauten. Auch [Sohn] Wilhelm kam, [seiner Frau] Johanna war es versagt...

Der November 1893 kam, die Not stieg...  Am Abend des 2. November  1893 ließen Schmerzen und Angst nach, auch das oft für Stunden getrübte Bewusstsein wurde wieder klar. Deutlich hörten wir sie sprechen: „Sollt diese Nacht die letzte sein in diesem Jammertal, so führ mich, Herr, zum Himmel ein zu auserwählten Zahl“.[Arnold Torhorst] und Klementine waren bei ihr, bis in des Morgens Früh des 3. November sanft und selig [Adelheid Smend ]einschlief.

Die drei [Söhne] aus Göttingen, Straßburg, Berlin mit den lieben Leedischen kamen [Luise] zu Hilfe und Trost in den bewegten Tagen. [Luises Sohn] Friedrich konnte auf sein. Am 5. November 1893 abends war am Sarg [im Torhorstschen Pfarrhaus in Ledde] eine kleine Trauerfeier, wozu auch die Mädchen, die bei ihr aus Ledde und Tecklenburg gedient, eingeladen waren. [Arnold Torhorst] sprach ganz fürtrefflich, schlicht und warm über Römer 12,12: „ Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet“.

Ein mit Tannengrün geschmückte Wagen brachte [den Sarg] nach Lengerich, wo sie in der Kirche ruhte, bis am folgenden Nachmittag von hier aus im hellen Abendsonnenschein die Beerdigung auf dem schönen Friedhof stattfand. Auch [Luises Sohn] Friedrich konnte bei der Feier zugegen sein. Julius aus Steinfurth sprach über Markus 14,8... 

Auf ihrem Grabstein steht der Spruch, den sie selbst dafür beten und bestimmt, gewiss auch als Mahnung für uns alle, wie sie es sich so oft vor gesagt in ihrem langen Leben: „Trachtet nach dem, was droben ist!“
 

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