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Eine Apothekerausbildung in der Mitte des 19. Jahrhundert sah etwa so aus, wie sie am Beispiel von Wilhelm Thomas in den recherchierbaren Teilen nachvollzogen werden konnte und nachstehend geschildert wird.
Wie alle jungen Männer musst sich auch Wilhelm Thomas der Musterung stellen. Im Alter von 17 Jahren erhielt er den „Berechtigungsschein“ zum einjährigen Dienst.
„auf Grund und nach Prüfung seiner persönlichen Verhältnisse und zwar durch Vorlegung eines den bestehenden bezüglichen Bestimmungen entsprechenden Gymnasial Zeugnisses.“
Es wurde ihm attestiert, dass er „zum Militärfelddienste brauchbar ist.“ Bemerkenswert das „Signalement“, also das Musterungsergebnis, auf der Rückseite des Berechtigungsscheines: ...schlank, blond, blaue Augen, Nase stumpf, Mund gewöhnlich, Zähne gut, Besondere Kennzeichen: -
Wenige Tage nach der Musterung und der Meldung zum einjährigen Dienst begann für Wilhelm Thomas die Lehrzeit als Apothekergehilfe. In einer Publikation, die das Stadtarchiv Iserlohn zur Verfügung gestellt hat, finden sich interessante Aspekte zur Apothekengeschichte in Westfalen, wo Wilhelm Thomas in den kommenden Jahren mehrere Apotheken kennen lernen sollte:
„’Apotheke’ stammt aus dem griechischen „Apothotenai“ und bedeutet einfach „Ablage“, später „Lagerraum, Arznei-VorratsRaum“ und dergl..Arzneimittel wurden im Altertum von den Ärzten selbst hergestellt, später haben sich Pharmazeuten mit der Zubereitung befaßt..Die erste Apotheke der damals bekannten Welt hatte 754 n. Chr. der Kalif von Bagdad, Almansor, einrichten lassen. In Europa entstand 1404 zu Salerno in Italien die erste Apothekerschule. Die ersten Apotheken in Westfalen befanden sich 1207 in Münster und 1265 in Soest.“ [Quelle: Stadtarchiv Iserlohn- „ Iserlohn, Waldstadtinformationen“, Januar 1991, S.6].
Die Ankunft bei seiner ersten Apotheke in Minden ist nach Information des Stadtarchivs Minden dokumentiert:
„Wilhelm Thomas zog laut Eintrag in einem der alten Anmelderegister der Stadt Minden (Signatur: Stadt Minden F 2145) am 21.10.1865 nach Minden. Als Zuzugsadresse ist "Obermarktstr. bei Wilken" angegeben. In den alten Adressbüchern der Stadt Minden für 1865 und 1868 ist Ihr Ur-Großvater nicht enthalten. Der Apotheker Julius Wilken wohnte in der Obermarktstraße 182 (heutige Straßenbezeichnung: Opferstraße 1)“ [Quelle: Stadtarchiv Minden, 10.12.2007]
Die Adlerapotheke in der damaligen Mindener Obermarktstrasse 182 existierte nach Auskunft des Stadtarchivs Minden bis zum 31. Dezember 1996. Zu diesem Zeitpunkt wurde sie geschlossen. Die Adresse der früheren Apotheke lautet also heute: Opferstrasse 1.
Das Gebäude der ehemaligen Adler-Apotheke war im Mai 2009 noch erhalten. In den Verkaufsräumen der Apotheke befand sich ein Wein- und Lebensmittelhandel, an der Aussenwand des Gebäudes sind die Löcher zu sehen, in denen früher die Buchstaben der Apothekenbeschriftung befestigt waren. Der Adler ist erhalten.
Die Lage des Gebäudes in der Fußgängerzone von Minden, am Abzweig der Opferstrasse hinauf zur Kirche signalisiert die zentrale Rolle dieser Apotheke in früheren Jahren.
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Drei Jahre war Wilhelm Thomas in Minden beim Apotheker Wilken.
„Nachdem der Eleve der Pharmazie Herr Wilhelm Thomas aus Netphen drei Jahre lang bei dem Herrn Apotheker Wilken hierselbst in der Lehre gestanden und um in der für Apothekergehülfen vorgeschriebenen Prüfung vor der Examinations-Commission des Kreises Minden „gut“ bestanden ist, so wird ihm das Zeugnis als Apotheker-Gehülfe unter der Bedingung hierdurch erteilt, dass er die ihm nach den Medizinal-Verordnungen obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen werde. Minden, den 1. Oktober 1868, der königl. Kreisphysikus Dr. Schreiber. Siegel ‚Physikat des Kreises Minden’.“
Nach Abschluß der Lehrzeit blieb Wilhelm bei seinem Ausbilder noch für ein weiteres Jahr in Minden, wie das Zeugnis des Apothekers Wilken nachweist:
„Herr Wilhelm Thomas, Sohn des Herrn Amtmann Thomas in Nieder-Netphen hat in meinem Geschäfte vom 1.Oktober 1865 bis 1.Oktober 1868 gelernt und sich während dieser Zeit recht erfreuliche Kenntnisse in allen pharmazeutischen Fächern erworben. Nach bestandener Gehülfenprüfung hat derselbe vom 1.Oktober 1868 bis zum1. Oktober 1869 bei mir mich [?] als Gehülfe condinioniert und war ganztäglich als Receptor beschäftigt. Herr Thomas hat sich durch die Treue [?] und Gewissenhaftigkeit womit der seine geschäftlichen Obliegenheiten erfüllte, sowie durch sein in jeder Beziehung meisterhaftes Betragen meine vollste Zufriedenheit erworben. Minden, den 1. Oktober 1869 J. Wilken, Apotheker. Siegel. Die Unterschrift wird hiermit beglaubigt und wird der Gehalt des vorstehenden Attestes als mit den persönlichen Erfahrungen des Unterzeichneten übereinstimmend, hiermit in seinem ganzen Umfange anerkannt. Minden, den ..Oktober 1869, Der Königliche Kreispysikus, Dr. Schreiber.“
Der „Gehülfen“-Zeit in Minden schloss Wilhelm ein Jahr in Iserlohn an, wo er bei Apotheker Röttger „servierte“, was ins Neuhochdeutsche übersetzt „diente“ bedeutet.
Die Formulierungen der Zeugnisse, die Stempel, alles das verrät die doch offensichtlich große (und beruhigende) Sorgfalt bei der Ausbildung des Apotheker-Nachwuchses. Dass das gesittete Verhalten im Preussen des 19. Jahrhunderts immer wieder auch ein Wert für sich ist, zeigt das Zeugnis:
„Herr Wilhelm Thomas aus Netphen servierte [diente] in meiner Apotheke als Gehülfe vom 1. Oktober 1869 bis dahin 1870. Dass derselbe die ihm während dieser Zeit obliegenden Geschäfte, [?] [?] zu meiner völligen Zufriedenheit besorgte, sowie durch Treue, Fleiß und ein gesittetes Verhalten sich auszeichnete, bescheinige ich hierdurch der Wahrheit gemäß. Iserlohn, der 28.Sptbr. 1870 Dr.W. Röttger, Apotheker, Siegel.,
Dass Herr Thomas während angegebener Zeit in oben bezeichneter Apotheke als Gehülfe fungierte, wird hiermit amtlich beglaubigt.Iserslohn..., Der Kreisphysikus Dr,,,, Siegel“
Eine Anfrage beim Stadtarchiv Iserlohn erbrachte deutlichen Erkenntnisgewinn:„Die Apotheke, die Sie suchen, ist die älteste Apotheke Iserlohns: die Engel-Apotheke. Das Haus steht noch, es befindet sich dort immer noch die Apotheke. 1869/70 lautete die Anschrift: Am alten Markt 224, heute lautet sie: Alter Rathausplatz 12.“ Eine Aufnahme aus dem Oktober 2009:
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In den deutsch-französischen Krieg 1870/71 musste Wilhelm Thomas offensichtlich nicht als aktiver Soldat mit der Waffe an der Front ziehen
Im Jahre 1871 erhält Wilhelm Thomas das Testat , dass er von „Michaelis“ des Jahres, gemeint sein dürfte der 29.September (bzw. der 1. Oktober) des Vorjahres, also 1870 bis zum 31. März 1871 in dem Geschäft des Apothekers Dr. Schreiber in Bielefeld als Gehülfe Dienst gehabt hat. Daraus ergibt sich, dass er bis zu diesem Datum nicht in den Krieg involviert war.
„Servir Attest. Herr Wilh. Thomas aus Netphen, welche von Michaelis v.J. bis jetzt in meiner Apotheke als Gehülfe servierte, hat in dieser Zeit durch regen Fleiß, treue Pflichterfüllung und tadelloser moralischer Führung meine vollste Zufriedenheit und Achtung erworben, weshalb ich recht sehr bedaure, dass besondere Umstände ihn zwingen, schon sehr[?] bald mein Geschäft zu verlassen.Bielefeld, 31. März 1871, Dr. W. Schreiber, Apotheker Beglaubigt, Bielefeld 1. April 1871 der Kreusphysikus, Sanitätsrath Dr.Meerhans [?], Siegel“
Das Stadtarchiv Bielefeld konnte zu Namen und Lage der Apotheke weiterhelfen [29.11.2007]:„Bei der Apotheke von Dr. Schreiber handelte es sich um die „Krummachersche Apotheke“ in Bielefeld. Um 1870 lautete die Adresse „Markt 55“, nach der Neuordnung der Straßennummern „Am Markt 2“, heute „Alter Markt 2“. In diesem Gebäude ist heute die „Apotheke am Alten Markt“ zu finden. Über die Geschichte dieser Apotheke liegt eine sehr gute Broschüre von Frank Konersmann vor: Studien zur Geschichte der Apotheke am Alten Markt in Bielefeld (1663 - 1996).“
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Was Wilhelm Thomas nach der Zeit in Bielefeld zwischen dem 31. März 1871 und dem 1. Oktober 1871 gemacht hat, lässt sich anhand der Dokumente [2009] nicht feststellen. Ein Militärdienst scheint für ihn auch in dieser Zeit nicht stattgefunden zu haben.
Für die Zeit zwischen dem 1. Oktober 1871 und dem 30. September 1872 gibt es das Führungsattest des VII. Armee Corps.Damit hat Thomas genau zu jenem Zeitpunkt seinen Dienst angetreten, der im “Berechtigungsschein zum einjährigen Dienst” als “Freiwilliger” angegeben war. Aufgrund seiner Ausbildung trat er seinen Dienst als „Militär-Pharmazeut“ in Minden an. Ganz offensichtlich ist er damit also wirklich um alle Kämpfe der Jahre 1870 und 1871 glücklich herumgekommen.
“VII. ArmeeCorps, Corps Generalarzt, J.Nr. 2713/72 Führungs-Attest. Dem einjährig freiwilligen Militär-Pharmazeuten Wilhelm Jacob Thomas, welche am 17,Mai 1848 zu Netphen, Kreis Siegen, Regierungsbezirk Arnsberg geboren, evangelischer Konfession, und seit dem1.Oktober 1871 bei der [?] für „Anstalt des Königlichen Garnison-Lazaretts zu Minden als einjährigen freiwilliger Militär-Pharmazeut angestellt ist, wird hierdurch attestiert, dass sich derselbe während seiner Dienstzeit sowohl in moralischer als auch in dienstlicher Beziehung „vorzüglich gut“ geführt hat. Bestraft ist derselbe während seiner Dienstzeit nicht. Münster, den 30ten September 1872, Der General-und [?] Arzt des VII. Armee-Corps, Unterschrift [?], Siegel“
Das Bemühen um nähere Erkenntnisse der Militärlaufbahn von Wilhelm Thomas blieb ohne Ergebnis. Dies ist letztlich eine Folge des Zweiten Weltkrieges und der Zerstörung des ehemaligen preußischen Heeresarchives in Potsdam im Jahre 1945. Weder das in dieser Frage befasste Stadtarchiv Koblenz noch das ikontaktierte „Preußische Geheime Staatsarchiv“ (heute in die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ eingegliedert) konnten mangels Akten Auskünfte geben. Auch für die Zeit nach 1866, für die die Aktenführung beim Militärarchiv des Bundesarchives in Freiburg liegt, konnte nichts gefunden werden. Mit anderen Worten: Hier hilft alles Forschen nicht mehr.
Nach einem Vierteljahr Pause gab es erneut eine „Gehülfen“- Zeit, diesmal in Schwerte beim Apotheker Wigginghaus vom 1. Januar 1873 bis zum 1. April 1873:
„Herr Wilhelm Thomas aus Netphen ist vom 1. Januar 1873 bis zum 1. April 1873 als Gehülfe in meinem Geschäfte thätig gewesen. Derselbe hat sich während dieser Zeit nicht allein durch ein musterhaftes moralisches Betragen, sondern auch durch ungemeine Thätigkeit, Pünktlichkeit und Ordnungsliebe bei der Rezeptur, sowie auch durch eine dem Leben [?] meines Geschäftes stets bewiesenes Interesse meine volle Hochachtung und Zuneigung erworben, welches ich demselben hierdurch dankbar bescheinige.Schwerte, den 2. Mai 1873, J. Wigginghaus, Apotheker. Vorstehende Unterschrift des Herrn Apothekers Herr J. Wigginghaus wird hierdurch beglaubigt, Schwerte, den 2. Mai 1873, Der Bürgermeister Mönnius[?]“
Mit der Lernzeit bei Apotheker Wigginghaus in Schwerte war es geschafft. Wilhelm Thomas konnte nun studieren und nach Marburg wechseln.
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Offenbar bedurfte es, um nach dem Studium zur Prüfung angenommen zu werden, eines „Sitten-Zeugnisses“, das im März 1874 ausgestellt wurde. „Sitten-Zeugnis. Wilhelm Thomas aus Netphen, welcher am 232. Mai 1873 zum Studium in Pharmazie dahier immatrikuliert worden ist, hat während seines hiesigen Aufenthalts die in dem angeschriebenen Verzeichnisse genannten Vorlesungen besucht und sich gesetzmäßig betragen. Dies wird unter Beidrückung des Universitätssiegels hiermit beurkundet.Marburg, den 2. März 1874, Königliche Universitätsdeputation, der Rector, Lucae [?]“
Da konnte einer Prüfung nichts mehr im Wege stehen. Thomas konnte sie im Juli des Jahres 1874 ablegen. Vom Minister für „geistliche, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten“ wurde ihm mit einem förmlichen Begleitschreiben die Approbationsurkunde übersandt.
„ Berlin, den 25. Juli 1874, M.3774. In der Anlage erhalten Sie die Approbation als Apotheker, welche ich für Sie auf Grund der von Ihnen zurückgelegten Prüfung habe anfer-tigen lassen und für welche die Stempelgebühr mit 15 Silbergroschen zu entrichten ist. Bei Übernahme einer von Ihnen erworbenen Apotheke haben Sie diese Approbation der betreffenden Königlichen Regierung vorzulegen und Ihre Vereidigung nachzusuchen.Die eingereichten Originalzeugnisse erfolgen hierbei zurück. Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten. In Vertretung Sydow [?]. An den Candidaten der Pharmacie Herrn Thomas zu Netphen.“
Die Approbationsurkunde hat folgenden Wortlaut:
„Nachdem Herr Wilhelm Thomas aus Netphen die pharmazeutische Prüfung vor der pharmazeutischen Examinations-Kommission zu Marburg „gut“ bestanden hat, wird ihm hierdurch die Approbation zum selbstständigen Betriebe einer Apotheke für das Gebiet des Deutschen Reiches in Gemäßheit des § 29 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 ertheilt. Berlin, den 15. Juli 1874. Siegeldruck Der Minister der geistlichen Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. In Vertretung Sydow [?].
Der abschließende Vermerk vom 21.Januar 1879 ist natürlich erst später hinzugefügt worden:
„Wilhelm Thomas ist heute...[?] als Apotheker vereidigt. Siegen, 21. Januar 1879, Der Landrath. Unterschrift [?] Siegel:Koen.Pr.Landraths-Amt zu Siegen. Approbation für Wilhelm Thomas zum selbstständigen Betriebe einer Apotheke M..N. 3774.“. Auf der Rückseite der Urkunde befindet sich ein weiterer Vermerk über die Beeidung des Apothekers in Kassel im Jahre 1895. Der Vorgabe der Approbation wurde also tatsächlich und nachweislich in den Folgejahren Rechnung getragen.
Nach den Ausbildungsjahren galt es eine eigene Apotheke für Wilhelm Jacob Thomas zu finden
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