Die Hirschapotheke hat eine lange Tradition in Siegen. Sie war die evangelische, zum unteren Schloßbereich gehörende Apotheke. Nur wenige Häuser entfernt lag die katholische Löwen-Apotheke. Merkwürdigkeiten aus den Religionsauseinandersetzungen der früheren Jahrhunderte.
Die Apotheke gehörte seit 1869 Max Groschuff und Bertha Ludolph, deren Vater, Friedrich Wilhelm Ludolph, am Kauf (vielleicht als Aussteuer für seine Tochter) beteiligt hatte
Gemeinsam bekamen die Besitzer der Hirsch-Apotheke, Max Groschuff und Bertha Ludolph Groschuff, mit Wilhelm Thomas während seiner Arbeit in der Apotheke von 1875 bis 1877 mit, wie auf dem Marktplatz vor der Apotheke nach dem siegreichen Verlauf des deutsch-französischen Krieges die Siegesstatue aufgestellt wurde. Die Einweihung des von Prof. Friedrich Reusch geschaffenen Germania-Denkmals fand am 6. August 1977, dem Gedenktag der gegen die Franzosen siegreichen Schlachten der preußischen Truppen von Wörth und Spichern statt.
Die Germania-Statue hat [2007] neben der Nikolaikirche in Siegen oberhalb des Marktplatzes offensichtlich weiter oberhalb eine immer noch herausgehobene Position in diesem Teil der Stadt, umgeben von einem kleinen Park der hinunterführt auf den Marktplatz mit dem Rathaus links und der sich an den Markt anschließenden Kölner Strasse. Unterhalb der Nikolaikirche ist [2007] das Rathaus gelegen, es beherbergt auch das 1874 aufgebaute Standesamt der Stadt, dem dieses Buch einige Angaben zu verdanken hat. Das nachts gesondert angestrahlte „Krönchen“ an der Kirchturmsspitze gab auch dem neuen „Krönchencenter“ - nur wenige Häuser neben dem früheren (heute weißen) Apothekengebäude - seinen Namen nachdem zuvor das Gebäude des aufgegebenen Kaufhofs umgebaut wurde. Es beherbergt das Stadtarchiv Siegen, in dem viele der hier verwendeten Dokumente und Zeitungen lagern.
Der Markt und die Kölnerstrasse: Das war die gute Gegend von Siegen. Wie in einen Trichter mündet der Marktplatz in die Kölner Strasse. Und hier am unteren Ende des Marktes lag die alte Hirsch-Apotheke Mitte des 19. Jahrhunderts. Von hier geht es bergab bis zum unteren Schloß und dem Hauptbahnhof.
Der Tod von Max Groschuff
Der Tod von Max Groschuff – kann er überraschend gekommen sein? Das Sterbebuch der Kirchengemeinde Siegen verzeichnet als Todestermin den 9.12.1878 "morgens um 11 Uhr" und als Diagnose des Dr. Kohn "Krebs". Der weitere Eintrag "Hinterläßt die Gattin und vier Kinder". Tag der Beerdigung muß der 21.12.1878 gewesen sein [Quelle: Kirchenarchiv Siegen, 15.11.2007]
Der Eintrag zeigt aber auch noch einmal, wie jung der Vater der vier Kinder, Max Groschuff, gestorben ist. Er wurde nur 36 Jahre, 6 Monate und 24 Tage alt. Der Auszug aus dem Sterbebuch des Standesamtes Siegen mit der Nummer 176 vom 9. Dezember 1878 lautet:
„Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach bekannt der kaiserliche Kranken.. [?] Hermann Svoboda und zeigte an, dass Apotheker Max Groschuff 36 Jahre alt evangelischer Religion, wohnhaft zu Siegen, Cölnerstrasse Nr. 59, geboren zu Lübben, Regierungsbezirk Frankfurt an der Oder, verheiratet gewesen mit Bertha geborene Ludolph zu Siegen, Sohn des Stadtgerichtsraths außer Dienst Johann Ludwig Groschuff zu Berlin und dessen verstorbener Ehefrau Auguste geb. Stelzner, zu Siegen Cölnerstrasse 59 am neunten Dezember des Jahrestausend achthundert und acht Vormittag um elf Uhr verstorben sei wovon er aus eigener Wissenschaft Kenntnis gebe. Vorgelesen und unterschrieben Hermann Svoboda“
Wenn sich die Erkrankung schon länger abgezeichnet haben sollte – war es dann eine gezielte Maßnahme, dass Wilhelm Thomas Ende 1877 die Hirsch-Apotheke verlassen hat um sich noch weiter fortzubilden, damit er eines Tages die Apotheke übernehmen konnte? Gab es mithin eine Absprache mit der Frau des erkrankten Apothekers?
Oder kam doch alles ganz plötzlich und damit auch der Auftrag von Bertha Ludolph, nunmehr verwitwete Groschuff an Wilhelm Jacob Thomas, die Apotheke zu übernehmen, sehr überraschend?
Die Verwaltung der Hirsch-Apotheke
Die erwähnte Festschrift zum 300jährigen Bestehen der Hirsch-Apotheke in Siegen vermerkt zum Engagement von Wilhelm Thomas in Siegen in nur sehr wenigen Zeilen:
„Ein neuer Wechsel tritt 1869 ein: Der 1866 approbierte Apotheker Max Groschuff bittet am 9. Juni um die Konzession für die bisherige Wredesche Apotheke, die ihm am 24. Juni erteilt wird. Nach dem Tod von Groschuff (1878) überträgt seine Witwe die Verwaltung der Apotheke an den in Marburg approbierten Pharmazeuten Wilhelm Thomas aus Netphen, den sie später heiratet.
Zunächst aber musste Wilhelm Thomas überhaupt erst einmal als Apotheker der Hirschapotheke zugelassen werden. Auf der zweiten Seite seiner Approbationsurkunde vom 15. Juli 1874 findet sich ein kleiner zusätzlicher Vermerk: „Wilhelm Thomas ist heute vorschriftsmäßig als Apotheker vereidigt. Siegen, 21. Januar 1879, Der Landrath. Unterschrift Siegel:Koen.Pr.Landraths-Amt zu Siegen“
Wie sich die Apotheke entwickelte ist nicht bekannt. Über das Familienleben sind zumindest die äußeren Daten bekannt.
Der Verkauf der Apotheke
Ab wann Bertha Ludolph, verw. Groschuff, die immerhin vier Kinder zu versorgen hatte, und Wilhelm Thomas, der ihre Apotheke verwaltete, Tisch und Bett teilten, ist nicht bekannt. Das Datum ihrer Hochzeit zweieinhalb Jahre nach dem Tod von Max Groschuff, der 3. Mai 1881, fand sich in den nachgelassenen Unterlagen nicht, sondern musste in Archiven erfragt werden. Acht Monate nach der Geburt von Paul im April 1884 wurde die Hirsch-Apotheke zum 31.12.1884 verkauft. Aus der 300 Jahre Denkschrift der Hirschapotheke:
„Am 31. Dezember 1884 zeigt Frau Thomas-Groschuff an, daß sie die Apotheke an Albert Sartorius aus Lauterbach verkauft habe. Der Kaufpreis beträgt für die Immobilien 58000 Mark, für die Mobilien 27000 Mark und für das Privileg 106000 Mark. Am 7. Januar 1885 erhält der 1877 zu Darmstadt approbierte Apotheker Albert Sartorius die Konzession.“
Hatten Max Groschuff und sein Schwiegervater Friedrich Wilhelm Ludolph im Jahre 1869 45 Tausend Thaler zahlen müssen, so war der gesamte Komplex jetzt, nach 15 Jahren 191 Tausend Mark wert. Da in dieser Zeit eine relative Preisstabilität herrschte kann also durchaus von einem ordentlichen Zugewinn durch den Verkauf ausgegangen werden.
Am Ende der Siegener Zeit steht ein Testat, das Wilhelm Thomas offenbar anforderte, um für den weiteren Weg den notwendigen Nachweis zu haben.
„Der Apotheker Herrn Wilhelm Thomas hierselbst hat die hiesige Max Groschuff’sche Apotheke nach dem Tode des Herrn Groschuff vom 23. Dezember 1878 bis dato vorschriftsmäßig, sorgfältig und zur größten Zufriedenheit des Publikums verwaltet, was ich demselben auf Verlangen hiermit gerne bescheinige. Siegen, den 1. März 1885, Sanitätsrath Dr. Hellmann, Kreisphysikus, Siegel“
Dieses Testat sagt natürlich nichts aus über das, wie es in der Apotheke lief, welche Sorgen und Nöte es gab, nichts über das sich vielleicht zaghaft, vielleicht stürmisch entwickelnde Verhältnis zur Witwe Groschuff, die ja etwa gleich alt war wie Wilhelm. Oder wollte man mit dem gemeinsamen Sohn Paul, der im April 1884, also vor ein dreiviertel Jahr vor dem Verkauf der Apotheke zum 31.12.1884 einen neuen Anfang machen, ohne die wahrscheinlich doch immerwährende Präsenz des verstorbenen Max Groschuff?
Warum wurde die Apotheke verkauft, waren es zu viele Erinnerungen? War es vielleicht der richtige Zeitpunkt, um „Kasse zu machen“? Hätte man sonst zuviel neu investieren müssen? Zu alle dem natürlich kein Wort im Bescheid des Kreisphysikus Dr. Hellmann. Wilhelm Thomas, sehr darauf achtete, dass die Nachweise seiner Tätigkeit – anders ist ihre Überlieferung gar nicht erklärbar - aufbewahrt (und mit viel Glück sogar überliefert) wurden.
Die Mitteilung von „Frau Thomas-Groschuff“ über den Verkauf der Apotheke lässt indirekt den Schluß zu, dass sie selbst offenbar den bestimmenden Besitzanteil über die Apotheke hatte – zum einen der Anteil ihres Vaters, zum anderen das Erbe ihres früheren Mannes Max Groschuff. Die [8.1.2009] noch unbeantwortete Frage: Hatte es eine Eigentumsübertragung auch an Wilhelm Thomas gegeben?
[Quelle: Festschrift Hirschapotheke Siegen]
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